Methoden und Übungen für die „Kunst“ des Storytellings
- Beitrag veröffentlicht:April 15, 2021
- Beitrags-Kategorie:Mediendramaturgie/Unternehmensmedien
Die Kunst des Storytellings und des Schreibens ist in Wahrheit eine sehr mühsame und anstrengende Tätigkeit. Neben Leidenschaft, permanenter Beobachtung, ständiger Sammlung und Dokumentation von Erfahrungen und Wissen, stehen auch ständiges Nachdenken über die Dinge der Welt auf der Aufgabenliste erfolgreicher Geschichtenerzähler. Hinzu gesellen sich Mut, Inhalte überhaupt erzählen zu wollen und Demut, dass großartig gelingende Geschichten mit sehr viel Übung zusammenhängen.
Permanente Beobachtung, Erfahrungen sammeln und Nachdenken
Ich erachte diese drei Dinge als wichtigste Voraussetzung, um interessante Dinge beschreiben oder zeigen zu können. Wir benötigen aber nicht nur Daten darüber was uns gefällt, sondern auch darüber, was unseren Zielgruppen, unseren Lesern oder Auftraggebern gefallen könnte. Wenn wir erzählerisch interessante oder aufmerksamkeitserregende Inhalte vermitteln wollen, benötigen wir Daten.
Über uns selbst, über die Wünsche und Bedürfnisse unserer Kunden oder Auftraggeber, über der Allgemeinheit bekannte Erfahrungen. Neben Statistiken, Meinungsumfragen und Erhebungen gelten auch immer unsere eigenen Beobachtungen und Wahrnehmungen als wertvolle Quelle. Der Prozess des Nachdenkens gelingt meines Erachtens mit der Beantwortung folgender drei Fragen:
1.) WAS will ich sagen/erzählen/vermitteln? (Thema und beherrschende Idee)
2.) WIE will ich das tun? (Text, Bild, Video)
3.) WARUM will ich es tun?
Geeignete Räume des Nachdenkens entdecken
Suchen Sie sich möglichst stille, entspannende oder inspirierende Orte aus, an denen Sie ungestört und alleine nachdenken können. Zum Beispiel ein Spaziergang an einem See? Es sollte auf alle Fälle ein Ort sein, an dem Sie sich wohl fühlen.
Meiden Sie deshalb laute Orte wie beispielsweise verkehrsintensive Straßen, die Sie im Denkprozess stören. Wenn Sie sich in Ihren Gedanken rund um Ideen, Themen und mögliche Inhalte vertiefen, sollten Sie sich selbst oder andere Menschen keinesfalls gefährden. (Zum Beispiel versehentlich bei Rotlicht einer Ampel eine Straße kreuzen.)
Gedanken und Ideen festhalten
Egal ob Notizbuch, auf einem Notebook oder als Sprachaufzeichnung am Handy. Wichtig ist nur, dass Sie Ihre vielen Gedanken und Ideen dokumentieren. Was Sie davon benötigen, nicht benötigen oder später benötigen soll Sie noch nicht kümmern. Achten Sie auch nicht auf die Art und Weise, auf Stil und Ausdruck, wie Sie diese Notizen festhalten. Nur Sie können und werden diese Aufzeichnungen lesen und damit weiterarbeiten. Sie brauchen lediglich einen Gedankenpool, aus dem Sie immer wieder schöpfen können.
Sprachaufzeichnungen als Schreibübung
Wenn Sie für die Gedankensammlung Sprachaufzeichnungen nützen, dann hätten Sie zum Beispiel auch schon eine sehr gute Schreibübung: Hören Sie auf Ihre Sprache und versuchen Sie die Inhalte zu Papier zu bringen. Nur besser und ohne Ähs und Öhms… Sie werden erkennen, wie sich Inhalte sinnvoll kürzen lassen und welche Teile sie komplett streichen können.
Schreibtrainings und Warmschreiben: „Nie mehr weißes Blatt Papier“
Wenn Sie später Ihre strukturierten Gedanken als Idee dann tatsächlich das erste Mal zu Papier bringen möchten, könnten Sie auf alle möglichen Widerstände stoßen. Sie suchen geradezu nach Problemen und Hindernissen, nicht schreiben zu müssen.
Irgendwelche unnötige Aufgaben tauchen plötzlich auf, ein Anruf, ein E-Mail, ein Besuch. Alle möglichen Störfaktoren und Ursachen, die Sie vom Schreiben abhalten. Sie finden einfach nicht den richtigen Beginn, die Sätze wollen einfach nicht aus Ihnen fließen. Sie brauchen also Tools, die Sie ständig und regelmäßig einsetzen können, um Sie zum Schreiben zu zwingen.
Die eigene Biografie als Übung und anwachsende Schatzkammer
Für mich eine wahre Goldgruppe für Ideensammlung mit mehreren Funktionen. Legen Sie einfach ein Dokument mit dem Titel „Meine Biografie“ an und beginnen Sie über sich selbst zu schreiben. Von Ihrer Geburt bis zur Gegenwart und schließlich ihrer Zukunft. Niemand könnte Ihre eigene Geschichte besser schreiben als Sie selbst, weil Sie Ihre Geschichte auch am besten kennen.
Ein weiterer Vorteil besteht darin, dass Sie Ihre Fantasie anregen, indem Sie Ihre Zukunft, Ihre Wünsche und Ziele beschreiben. Sie können also gleichzeitig Ihrer Fiktion Raum geben, um möglicherweise zu einem späteren Zeitpunkt daraus schöpfen zu können.
„Keine Denkverbote“ als Ventilmethode
Eine andere Methode sich warmzuschreiben besteht darin, ordentlich Dampf abzulassen. Schreiben Sie hierzu all Ihre Tageserlebnisse auf. Auch negative Ereignisse, Menschen, die Sie nicht leiden können. Verwenden Sie derbe Sprache. Schreiben Sie über Dinge, die Sie so niemals (öffentlich) sagen. Oder Sie schreiben über völlig konträre Sichtweisen zu Ihrer eigenen Einstellung. Lassen Sie ordentlich Luft raus!
Menschen beobachten und beschreiben, um Geschichten zu erfinden
Es gibt noch viele andere Schreibübungen. Wenn Sie aber Geschichten erzählen wollen, hier noch ein weiterer Vorschlag: Wählen Sie einen fremden Menschen, den Sie irgendwo beobachtet haben. Suchen Sie nach dem stärksten Signal dieses Menschen und stellen Sie sich vor, wie es dazu gekommen ist.
Zum Beispiel: „Durchtrainierter Muskelprotz in der U-Bahn trägt eine bunte Perlenkette um den Hals.“ „Spinnen“ Sie dann eine Geschichte um dieses Merkmal. Warum könnte so ein Typ eine Kinderhalskette tragen? Hat er sie von seinem Kind als Geschenk erhalten. Trägt er die Kette als Erinnerung an sein tragisch verunglücktes Kind?
Zeigen statt Beschreiben: „Die Näherung zu Storytelling“
Sie erkennen vielleicht jetzt schon den Unterschied zwischen Menschen beschreiben und Menschen zeigen? Wenn Sie zum Beispiel ein Ereignis beschreiben, verwenden Sie dafür bestimmte Eigenschaftswörter: „Der Vortrag war sehr langweilig oder spannend.“
Wenn Sie sich dieser beschreibenden Wörter bewusst sind, können Sie mit der Schaffung von Kopfkino bei Ihren Lesern beginnen. Kurz: Sie zeigen in Bildern bestimmte Umstände oder Ereignisse. Zum Beispiel: „Kurz nach Beginn des Vortrags sind die ersten Teilnehmer in ihren Sesseln versunken und eingeschlummert.“
Das geht natürlich auch noch besser. Aber Storytelling bedeutet, bestimmte Handlungen als Ausdruck bestimmter Gefühle und Emotionen zu zeigen.
Übung für Fortgeschrittene: „Für Blinde schreiben“
Um die Fähigkeit mit Worten zu zeigen zu verfeinern, könnten Sie auch versuchen für einen blind geborenen Menschen zu schreiben. Wie könnte man Räume oder Orte einem blinden Menschen beschreiben? Konzentrieren Sie sich darauf, dass wir neben unserem Sehsinn auch noch Gehörsinn, Tastsinn, Geruchssinn und Geschmackssinn haben.
Eine Konditorei kann Ihre Augen beispielsweise nicht nur über „die verführerisch bunten Süßigkeiten gleiten lassen.“ Sie können im Kopf Ihrer Leser auch einen „wohlig aromatischen Kaffeeduft in Erinnerung rufen. (Riechen) Oder ihn hören lassen, wie es aus der Küche „dampft“ und ihn die „köstlich hausgemachten Leckereien“ schmecken lassen.
Mit 5 Worten Ideen entwickeln und die eigene Kreativität entdecken
Es ist immer wieder erstaunlich zu erleben, wie wirkungsvoll diese Übung bis heute ist. Sie eignet sich hervorragend als Übung, um Ideen zu entwickeln und ein zentrales Thema zu entdecken. (Beherrschende Idee.) Sie belebt außerdem die eigene Kreativität ständig neu und noch besser: Sie dringen damit auch in die Kunst des Storytellings vor.
Wählen Sie einfach 5 Worte, die eine bestimmte Idee zum Ausdruck bringen könnten. Im nächsten Schritt schreiben Sie einen Text, in dem diese 5 Worte vorkommen. Sie werden erleben, wie Sie damit Ihre eigene Kreativität anspornen, um einen bereits gut strukturierten Text zu Papier zu bringen. Im letzten Schritt beginnen Sie mit der Überarbeitung des Textes. Kürzen und streichen Sie unnötige Passagen. Suchen Sie dann nach den beschreibenden Worten im Text und versuchen Sie, diese Beschreibungen mit Bildern oder Handlungen zu zeigen. Üben Sie sich darin so oft Sie können. – Der Weg in die Königsklasse des „Storytellings“ ist dann nicht mehr ganz so fern.
Pixaybay-Bild: Angela_Yuriko_Smith