Politik und Fernsehen: Über die gescheiterte Streitkultur

  • Beitrags-Kategorie:Kommunikation

Es ist nicht nur so, dass die Politiker Medialität für die Formgebung ihres Images brauchen. Auch das Fernsehen benötigt charismatische und vor allem emotionale Politiker im gegenwärtig existierenden dramaturgischen Konzept. Die Frage, die sich daher für uns Beobachter oftmals stellt, besteht in der Dominanz der wechselwirkenden Kräfte zwischen Medium und individuellem Aufmerksamkeitsdrang.

Quotengier oder Informationsbedürfnis?

Den Medien wird nicht selten unterstellt, einzig und allein an spektakulären und möglichst aggressiven Streitereien zwischen Politikern interessiert zu sein. Bereits die Konstellation der Diskussionsrunden lassen ein dramaturgisches Interesse zwar deutlich erkennen, aber dem Fernsehen damit eine primäre Motivation zu unterstellen wäre zu einfach. Nicht selten haben nämlich die Moderatoren politischer Diskussionsrunden alle Hände voll zu tun, die Kontrolle über das Konzept zu behalten. Mit anderen Worten: Die Steuerung des dramaturgischen Konzeptes wäre heutzutage viel zu riskant, wenn die Verantwortlichen lediglich nach Quoten gieren und sich an die Sensationslüste des Publikums orientieren würden. Als Rezipienten sind wir heute wegen vieler anderer Formate dramaturgisch so überladen, dass wir aggressive Streitereien zwischen Politikern schon sehr bald satt haben. Was in sogenannten „Realitys“ vielleicht noch länger funktioniert, kann nicht so einfach auf ein grundsätzlich informationsorientiertes Format umgemünzt werden. Emotionale und persönliche Konfrontationen zwischen Politikern und die sinnentleerten Diskussionen werden ihren Kampf gegen unser Informationsbedürfnis verlieren. Auch wenn wir das derzeit bei einigen Formaten im österreichischen Privatfernsehen noch nicht erkennen können.

Österreichische Vergangenheit und gegenwärtig deutsches Vorbild

In Deutschland sehen wir, wie diese Formate funktionieren sollten. Egal ob bei Maischberger, Illner oder Will, die Qualität der Diskussionsrunden dieser Moderatorinnen kann von den Formaten der österreichischen Privaten nicht erreicht werden. Erstens, weil trotz hoher Emotionalität der Diskussionsteilnehmer die deutschen Moderatorinnen die Kontrolle ohne „Cuts“ behalten. Zweitens aber auch, weil die Qualität der Teilnehmer selbst, beziehungsweise ihr Diskussionsverhalten, auch während hitzigster Debatten nicht an kommunikativer Professionalität verliert. Hierbei lässt sich derzeit in der österreichischen Politik leider ein großes Problem feststellen, an dem PR-Berater mit ihren Mandanten dringendst arbeiten sollten.

Den österreichischen Moderatoren bleibt oft keine andere Wahl, als ihren Gästen in letzter Konsequenz das Wort einfach zu entziehen. Das war nicht immer so. Wenn sich ein österreichischer Politiker also heute die Frage stellt, wie er mit seinem Anliegen in einem so aggressiven Umfeld noch Aufmerksamkeit erregen kann, dann könnte ihm auch der Blick in die österreichische Fernsehvergangenheit weiterhelfen.

Besonders interessant waren damals nämlich die Auseinandersetzungen zwischen dem ehemaligen Bundeskanzler Franz Vranitzky und dem FPÖ-Parteiobmann Jörg Haider. Haider war für seinen aggressiven Diskussionsstil und seinem ausgeprägten Hang zum Populismus bekannt. Oft versuchte er Vranitzky auch durch verbale Angriffe zu diskreditieren. Der Ex-Kanzler blieb jedoch besonnen. Er hörte sich die Attacken an, um dann durch Professionalität und sachlichem Kommunikationsstil die Aufmerksamkeit und somit auch die Mehrheit der Wählerschaft auf seine Persönlichkeit zu reflektieren. Er drehte sozusagen den Spieß durch seinen professionellen Diskussionsstil um und wehrte sämtliche Attacken des „Brüllgegners“ erfolgreich ab. Somit blieb Haider bis zum politischen Karriereende Vranitzkys zwar ein erfolgreich aufstrebender Populist, er konnte mit der Dramaturgie seines Diskussionsstils dem Alt-Kanzler aber niemals das Wasser reichen.

In Österreich und Deutschland werden sich deshalb auch zukünftig Politiker mit dem Diskussionsstil eines Franz Vranitzky oder auch eines Martin Schulz gegen das dramaturgisch aufgeputschte Verbalverhalten von Cowboys und Brüllaffen durchsetzen. Das gilt übrigens für alle existierenden Politparteien und ihren Granden, auch wenn ich an dieser Stelle nur zwei Namen nannte.