Das Fernsehen gehört immer noch zu den führenden Leitmedien. Es ist derzeit auch überhaupt nicht beobachtbar, dass das Internet das Fernsehen zukünftig verdrängen wird. In der Medienwissenschaft gilt immer noch, dass ein neues Medium ein bestehendes und bereits etabliertes Medium niemals völlig verdrängen konnte. Lediglich der Umgang mit dem länger bestehenden Medium veränderte sich. Sehr gut lässt sich ein solcher Wandel am Beispiel Radio veranschaulichen, dessen Gebrauch sich vom einstigen Leitmedium zu einem Tagesbegleitmedium veränderte. Auch der Umgang mit Fernsehen hat sich bereits heute sehr deutlich verändert. Wir sehen das anhand von einigen Sachsendungen, Dokumentation oder eben auch politischen Diskussionsrunden. Die Dramatisierung hat bereits heute in diesen Fernsehformaten ihren spektakulären Höhepunkt gefunden.
Pure Emotionen, statt sachlichen Informationen
Politische Talkrunden gehören in Österreich und in Deutschland zu einem wichtigen Programmpool. Interessanterweise scheinen in Deutschland die öffentlich-rechtlichen Sender größeres Interesse an diesem Format zu haben als in Österreich. In Österreich werden politische Talkrunden überwiegend von den privaten Sendern ATV und Puls4 ausgestrahlt.
Die Vermittlung sachlicher Kompetenz ist aber sowohl in den öffentlichen als auch privaten Sendern längst der emotionalen Selbstdarstellung politischer Persönlichkeiten gewichen. Das Fernsehen hat das dramaturgische Potential dieser Inszenierungen erkannt und konstruiert dementsprechend auch konflikthaltige Talkrunden. Der gravierende Qualitätsunterschied zwischen deutschen und österreichischen Talkrunden wird Thema eines anderen Blogbeitrages sein, nur so viel bereits jetzt: In Österreich haben politische Diskussionen längst nichts mehr mit dem Austausch unterschiedlicher Meinungen zu tun, sondern sind vor allem im Privatfernsehen nichts anderes als „Stammtischgeschrei“ von Politikern. Nicht umsonst meiden viele österreichische Spitzenpolitiker gerade diese emotionalisierten Formate und entsenden stattdessen lieber ihre Parteiuntertanen in die Schlacht.
Auf der Suche nach einem politischen Vorbild
Was speziell die österreichische Politik daher dringend benötigt ist ein glaubwürdiges Vorbild. Und warum sollte es auch keine politischen Vorbilder geben? Das beharrliche Vertreten der eigenen Meinung, der damit verbundene Verstoß gegen Konventionen und die Ausstrahlung von Ehrlichkeit sind die Grundpfeiler für den Aufbau eines gelungenen Images für einen Politiker. Die Voraussetzungen ein solches Image zu vermitteln sind für viele Politiker heute besser denn je. Populistische Prahlereien und der unkritische Anschluss an sämtliche Parteiinteressen können längst nicht mehr einen fruchtbaren Beitrag zur Aufmerksamkeitserregung leisten. Das Bild der österreichischen Politik ist festgefroren und die dramaturgischen Konstruktionsmöglichkeiten des Fernsehens sind den medial aufgeklärten Bürgern ebenfalls nicht mehr unbekannt. Darüber können wir uns heute nicht mehr empören, sondern bestenfalls ergötzen.
Politiker brauchen das Fernsehen
Die Politiker unterwerfen sämtlichen Marotten des Fernsehens, weil sie süchtig nach den Inszenierungsmöglichkeiten des Mediums sind. Sie wissen, dass kein anderes Medium ihr Image und ihre Inszenierungen so schnell und komfortabel in die Menschenmasse verbreiten kann. Der „Live-Charakter“ einer Fernsehsendung täuscht dabei oft über die Tücken des Mediums hinweg. Was in Absicht authentisch sein zu wollen gedacht ist, endet schnell als peinliches Outing, das vielen Politikern sogar nach einer Sendung oft nicht bewusst scheint. Mit aller Brutalität entblößt nämlich ausgerechnet das Medium Fernsehen jede Kleinigkeit im Verhaltensmuster politischer Inszenierungen. Deshalb gelten heute sehr viele Politiker in ihrer Bevölkerung oft nur noch als peinliche Selbstdarsteller, die es zu wählen nicht lohnt. Unsere Spitzenpolitik sollte sich darüber und über das transformierte Bild durch politische Fernsehinszenierungen dringend Gedanken machen.
Das Fernsehen kann aber immer noch ein politisches Image hervorragend formen und vermitteln. Freilich hat sich das Medium verändert. Es ist emotionaler und schneller geworden und die Möglichkeiten Botschaften zu vermitteln, haben sich zugleich radikal verkürzt. Fernsehen verzeiht weniger Fehler und schon gar nicht die kommunikative Inkompetenz eines Politikers. Dafür reflektiert das Medium sehr wohl auch die Aufrichtigkeit einer öffentlichen Person. Aber auch das Fernsehen braucht abseits der Quoten die Politiker. Die bestehenden und sich bedingenden Wechselabhängigkeiten sind deshalb Thema im nächsten Beitrag.