“Früher im Sommer” – Kurzgeschichte

Früher im Sommer

Es war ein wunderschöner Urlaub in Kos und wir sind während unserer zwei Wochen Aufenthalt kaum vom Meer gewichen. Für alle, die noch nicht den Sommerurlaub genießen können: Genießen Sie etwas Erholung im Sommer, egal ob in der Ferne am Meer oder bei uns zuhause…

 

Am letzten Tag blicke ich hinaus, überlege wieder einmal, ob ich noch etwas lesen möchte, im kühlen Nass schwimmen soll oder zuvor noch ein Nickerchen mache. Kein Lärm, eine ungewöhnlich entspannende Ruhe, die nur vom Rauschen des Meeres getrübt wird. Ja, es war sehr schön hier und trotzdem freue ich mich wieder auf zuhause.

Früher, als ich noch ein Kind war, verbrachten wir unseren Sommerurlaub nie am Meer und ich freute mich auch immer wieder auf zuhause. Denn ich hatte das leidige Vergnügen, mein heißgeliebtes „Parki“ in Lustenau zu verlassen, um Wanderurlaub in den Bergen zu machen. Zugegeben sind damit auch viele schöne Erlebnisse verknüpft, an die ich mich heute als Erwachsener gerne erinnere. Aber damals, als ich in den 80ern ein Kind war und mitten im Sommer für zwei Wochen nicht mehr mit meinen Freunden im Lustenauer Parkbad sein konnte, war der Wanderurlaub ein Schreckgespenst.

„Parki“ nennen wir liebevoll seit vielen Jahrzehnten unser Freibad und es ist bis heute das Herz des Lustenauer Sportzentrums. Kaum haben die Sommerferien begonnen, verbrachte ich am liebsten jeden Tag – von morgens bis abends – im „Parki“. Dort, wo ich viele Freunde traf, neue Freunde kennenlernte und überhaupt schon sehr früh alleine hindurfte. Badeshorts, T-Shirt und ein Handtuch, dazu etwas Taschengeld für Eis oder Limonade. Mehr habe ich nie gebraucht. Und aus dem Wasser war ich sowieso schon als Kind kaum zu kriegen. Ich erinnere mich, wie mich einmal mein großer Bruder abholen musste, weil ich längst zum Abendessen zuhause sein sollte.

Im „Parki“ habe ich als Kind von den Jugendlichen auch Schach spielen gelernt. Gleich nach dem Kassahäuschen gab es schon in den frühen 80ern ein großes Schachfeld mit Plastikfiguren, zwischen denen sich die Spieler nachdenklich bewegten, um ihr Können zu beweisen. Auch Tischfussball oder Tischtennis standen regelmäßig auf der Tagesordnung, wenn wir mal doch vom Wasser genug hatten. Das „Parki“ war eben unser Ort und Treffpunkt, um die Sommerferien gemeinsam mit Spielen und Baden verbringen zu können. – Ohne Aufsicht der Eltern wohlgemerkt.

Dafür war Berry das wachende Auge im „Parki“. Berry war der Bademeister, der zum „Parki“ wie die Butter aufs Brot gehörte. Groß, schlank und ständig braungebrannt, trug er eine dunkle Sonnenbrille und man ließ sich besser nicht von ihm erwischen, wenn wir von bestimmten Stellen der damaligen Rutschbahn ins Wasser springen wollten. Und das war eigentlich auch nicht notwendig, denn das absolute Highlight unseres Parkbads ist nach wie vor der 10-Meter-Sprungturm.

Mächtig ragt er mit seinen vier unterschiedlichen Absprunghöhen auch weit über die 10-Meter-Plattform in den Himmel. Bereits seit dem Vormittag haben wir uns auf den großen Moment vorbereitet, der täglich am Nachmittag stattfand. Unzählige Male stiegen wir deshalb auf den Turm, sahen hinter verschlossenem Türchen auf das Wasser hinab und redeten uns fleißig ein, dass die Höhe gar nicht so schlimm war und uns die Wasseroberfläche so nah schien.

Kurz vor 15:00 Uhr spitzte sich die Spannung zu. Dann, wenn Berry mit einem Baustellenabsperrband erschien und sämtliche Vorbereitungen traf, um nacheinander die unterschiedlichen Absprungplattformen zu öffnen. Bis zu den ersten fünf Metern herrschte noch Gedränge. Aber dann, wenn die zwei höchsten Plattformen öffnen, werden meine Schritte die Stiege hinauf langsamer. Oben angekommen stehen fast nur noch Jugendliche und vereinzelt Erwachsene vor mir, neben mir mein Klassenkamerad und mir wird klar, dass wir zu den Jüngsten gehören. Mein Herz beginnt schneller zu schlagen und ich glaube auch das pochende Herz meines Freundes zu hören. Gleich sind wir beide an der Reihe und es wird sich zeigen, ob wir tatsächlich das erste Mal den „Köpflar“ aus dieser Höhe wagen.

Vor uns hat sich ein Jugendlicher gerade mit einem Salto in die Tiefe gestürzt. Wir sehen jetzt auf der linken und rechten Seite hinab auf das Wasser und nur Berrys braungebrannten Arme versperren uns noch den Weg in den Abgrund. Jetzt plötzlich liegt die Wasseroberfläche wieder weit unter uns. Ich blicke nochmals kurz zu meinem Freund, der mittlerweile auch alles andere als entspannt vor dem großen Augenblick bangt. Aber jetzt gibt es kein zurück mehr. Das Freizeichen erfolgt und mein Freund lässt sich kopfüber in die Tiefe fallen. Der Aufprall dröhnt lautstark und eine Wasserfontäne spritzt in die Höhe. Kurz darauf taucht er auf, ist happy den Sprung gewagt zu haben. Mutspendend winkt er zu mir hinauf. Kneifen gilt jetzt nicht mehr. Er schwimmt zur Seite und gleich gibt Berry meinen Absprung frei. Noch ein kleines Schrittchen nach vorne und dann ist es soweit. Der Bademeister senkt seinen Arm. Mein Herz rast, ich blicke hinunter auf die weit entfernte Wasseroberfläche, sehe die gespannten Blicke vieler Zuseher und meines Freundes unter mir, die allesamt auf mich gerichtet sind und ich…

…“Gehen wir ins Wasser?“ Meine Frau auf dem Liegebett neben mir ist soeben aufgewacht. „Gute Idee“, sage ich. Ein „Sprung“ ins erfrischende Meer würde jetzt ganz guttun. Und damit wünsche ich Ihnen und sämtlichen Kunden, Partnern und Interessenten von DramaTec eine erholsame Sommerzeit.

 

Text: Bertram Holzer