Über Schein und Sein in sozialen Netzwerken

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Soziale Netzwerke sind heute fest in unserem täglichen Mediengebrauch verankert. Freilich gibt es immer noch sehr viele erfolgreiche Verweigerer von Facebook, Twitter, YouTube und anderen sozialen Netzwerken. Ich bin aber davon überzeugt, dass in den nächsten Jahren der Umgang mit sozialen Netzwerken unseren Alltag verstärkt mitbestimmen wird.

Facebook als Bezeichnung für soziale Netzwerke

Wer von sozialen Netzwerken spricht oder hört, der denkt in erster Linie an Facebook. Facebook hat es geschafft, ein alleinstehendes Merkmal für soziale Netzwerke zu etablieren. Ähnlich wie wir heute zum Klebstoff einfach nur „UHU“ oder zu Taschentüchern „Tempo“ sagen, so denken wir im Zusammenhang mit sozialen Netzwerken zuerst an Facebook. Damit wäre eigentlich schon die unaufhaltsame Erfolgsgeschichte von ausgerechnet diesem Netzwerk bewiesen. Mir ist momentan keine Marke mit einer so ausgeprägt dominanten unique selling proposition (USP) bekannt, die aus unserem Leben wieder verschwunden wäre. Umso interessanter für mich, ein bisschen die Entwicklungen rund um Facebook zu beobachten.

Freunde sammeln statt „echte“ Kontakte knüpfen

In der Frühzeit von Facebook konnten wir deutlich beobachten, wie sehr viele Menschen emsig damit beschäftigt waren, möglichst viele Freunde zu sammeln. Echte Kontakte zu knüpfen und eine gegenseitige Kommunikation in einem virtuellen Raum intakt zu halten waren damals wie heute unbedeutend. Natürlich war Facebook ein junges Medium, das zuerst von Menschen aus verschiedensten Milieus ausprobiert wurde. Angespornt, um verschollen geglaubte Bekannte oder ehemalige Schulfreunde zu finden, bot das Netzwerk neue Möglichkeiten und Ideen. Schon bald etablierte sich jedoch in erster Linie der Wettbewerbsgedanke, um möglichst viele Freunde in seinem Portfolio aufweisen zu können. Die Realität sieht natürlich völlig anders aus, denn außerhalb des Cyberspace können wir bereits stolz darauf sein, zumindest fünf Menschen als unsere echten Freunde bezeichnen zu dürfen. (Familie und Verwandte sind bei dieser Zahl natürlich ausgeschlossen.)

Vorgegaukelte Anonymität

Leider glauben immer noch viele „Netzwerker“ an die Anonymität im Cyberspace. In Wahrheit können weder ein Avatar noch ein falscher Name über das Verhalten der Person, die hinter einem Profil steckt, hinwegtäuschen. Groß war die Ernüchterung als selbst die naivsten User erkennen mussten, dass es im Netz de facto keine Anonymität gibt. Der „gläserne Mensch“ ist heute im Netz präsenter denn je.

Der Drang unwichtige Dinge zu verbreiten

Für mich war umso erstaunlicher zu entdecken, dass auch nach der ersten großen Datenschutzdebatte rund um Facebook trotzdem jede erdenkliche Peinlichkeit weiterhin gepostet wurde. Ich beobachte, dass der Drang nach „seelischer Entlastung“ im Web auch in nächster Zeit bei vielen Usern den eigenen Verstand kontrollieren wird. Facebook erfüllt demnach in ganz speziellen Usermilieus auch weiterhin die nicht unwichtige Funktion seelischer Entlastung, indem über private Wehwehchen und Glücksmomente berichtet wird, unabhängig der Verarbeitung und Weiterverwendung dieser Daten. Wer sein eigenes Leben in der Welt veröffentlicht, darf sich deshalb auch nicht über die kommerzielle Beschlagnahmung dieser Selbstkundgabe beklagen.

Kommerzialisierung versus Privates Netzwerk

Spätestens mit dem Gang an die Börse waren die tatsächlichen Absichten von Facebook nicht mehr zu verleugnen. Jedes Unternehmen muss Gewinne erwirtschaften, wie sollte es bei einem Milliardenunternehmen auch anders sein. Nach wie vor besteht die erkennbare Philosophie nach einem für alle Menschen der Welt frei zugänglichen Netzwerk. Der Konzern Facebook giert nach diesen Menschen und ihrem Streben nach Selbstkundgabe. Selbstkundgabe bedeutet Information und Informationen sind heute so wertvoll wie Gold. Mit Informationen über User, die heute nicht mehr bloß User, sondern vielmehr als Konsumenten bezeichnet werden können, werden Profite erwirtschaftet. Es versteht sich also von selbst, dass sich auch die Datenschutzbestimmungen von Facebook stets konform mit diesen Absichten befinden. Persönlich finde ich es deshalb auch sehr spannend, Facebook möglichst viele Informationen vorzuenthalten oder manchmal auch mit falschen Spuren an der Nase herumzuführen. Ein solcher Test kann manchmal ganz interessant sein um zu beobachten, mit welcher Werbung das eigene Profil plötzlich zugemüllt wird. (Natürlich nur über eine eigens eingerichtete Spam E-Mail-Adresse!)

Schafft Facebook den Sprung vom Push-Medium zum Pull-Medium?

Die noch offene Frage befasst sich mit dem Wandel im Umgang mit sozialen Netzwerken. Im Falle von Facebook bin ich gespannt, ob aus dem beliebtesten Push-Medium ein qualitatives Pull-Medium wird. Immer noch ist Google das Pull-Medium schlechthin, wenn wir gezielt nach Informationen suchen. Die ursprüngliche Idee eines funktionierenden Pull-Mediums war aber bei Facebook eigentlich schon von Beginn an geschaffen und bis heute existent: Ein Netzwerk zwischen Freunden schaffen, die miteinander kommunizieren. Gegenseitige Kommunikation bedingt immer einen Sender und einen Empfänger von Botschaften, die sich in wechselwirkendem Verhältnis befinden. Sender und Empfänger sollten mit ihrem Netzwerk eine Vertrauensbasis schaffen, sie sollten Freunde werden. Auf dieser Basis wäre es umso einfacher und von höherer Qualität, Informationen abzurufen. Die Bedingung möglichst viele Informationen zu beziehen besteht jedoch wieder in der Anzahl möglichst vieler verschiedener Freunde. Ein Beispiel: Ich suche Informationen über ein Hotel oder eine Reise. Anstatt Google nach Bewertungen abzugreifen, löse ich eine Suchanfrage in Facebook aus. Je mehr Freunde das Netzwerk beinhaltet, desto höher ist auch die Wahrscheinlichkeit, genau zur gewünschten Anfrage Informationen zu erhalten.

Der Wandel sozialer Netzwerke

Auch Facebook wird sich, genauso wie alle anderen Netzwerke, verändern. Die Medientheorie lehrt uns, dass bisher kein Medium von einem neuern Medium verdrängt werden konnte. Sehr wohl jedoch veränderte sich der Umgang und der Gebrauch der vorher existierenden Medien. Ob sich Facebook tatsächlich zu einem echten Pull-Medium wandelt bleibt abzuwarten. Beobachtbar sind jedoch die ständigen Veränderungen und der Umgang mit diesem Netzwerk. Seit einiger Zeit scheint unter den Usern das Posten von Videos sehr beliebt zu sein. Eine Domäne, die bisher speziell YouTube zugeschrieben wurde.

YouTube gehört neben Facebook zu den bekanntesten Push-Medien. Im Gegensatz zu Facebook hat dieses Netzwerk jedoch längst den Sprung zu einem qualitativ hochwertigen Pull-Medium geschafft. Darüber im nächsten Beitrag mehr.

 

 

Der ideale Regierungschef

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Im Drang nach Aufmerksamkeit und Quote ist es kein Wunder, dass die Wähler ihr Interesse an Politik schließlich verlieren. Signifikant zeigt sich das an den Wahlergebnissen und dem Anteil der Nichtwähler. Offensichtlich können wir uns nur schwer entscheiden wem wir unser Vertrauen schenken und bleiben deshalb lieber zuhause als unser Wahlrecht zu nutzen. Die Politik müsste sich also ernsthaft überlegen wie sie dem Einheitsbrei ihrer Parteien entkommen kann, um die Qualität in ihren medialen Informationen und Argumentationen zu heben. Ein Spitzenpolitiker oder ein Regierungschef muss sich dafür in der Realität zum Glück auch nicht in einen Helden verwandeln, so wie wir das aus vielen Hollywoodfilmen kennen. 

Nachhaltige Aufmerksamkeit erhält ein Politiker schlussendlich nur dann, wenn er das Vertrauen der Wähler gewinnt. Und dieses Vertrauen gewinnt er sicherlich nicht mit verbalen Ausbrüchen und populistischen Attacken. Ich konstatiere drei Regeln, wie ein Politiker dieses Vertrauen gewinnt:

1. Immer ehrlich handeln und damit Ehrlichkeit beweisen!

Es gibt keine, absolut keine Entschuldigung für Unehrlichkeit. Einige Korruptionsfälle in jüngster Vergangenheit, die der Journalismus wieder einmal enthüllt hat, bestätigen diese Argumentation ständig. Politische Persönlichkeiten müssen wahrhaftig erkennen, dass die Wähler nicht dumm sind. Erkennen bedeutet, mit dieser Erkenntnis zu handeln und sie nicht nur ständig auszusprechen. Arbeitende Menschen können nur schwer nachvollziehen, dass Politiker ihre Ressorts von einem Tag zum anderen wechseln können und ihre neuen Aufgaben lückenlos erfüllen. Ehrlichkeit bedeutet deshalb auch Mut zu haben, fehlende Kompetenzen einzugestehen und nicht nur mit Statistiken im Fernsehen zu wedeln und Expertisen unreflektiert nachzuplappern. Politiker die Sachverhalte kritisch hinterfragen und sich Wissen aneignen, werden glaubwürdiger sein.

2. Mutig sein und gegen Konventionen verstoßen!

Um mit Ehrlichkeit Glaubwürdigkeit zu erzeugen, muss ein Politiker auch gegen Konventionen verstoßen. Er darf die Konfrontation mit der eigenen Partei nicht scheuen und er muss den Mut haben, seine ehrlichen Überzeugungen gegen sämtliche Widerstände, auch aus den eigenen Reihen, zu verteidigen. Diplomatie und Überzeugungsarbeit sind hier gefragt. Aber wenn diese Diplomatie und die eigenen Prinzipien nicht mehr gefragt sind, sollte sich jeder Politiker ernsthaft fragen, weshalb ihn die Partei eigentlich zu sich in die Reihen geholt hat. Starke Persönlichkeiten die ihre eigene Meinung vertreten ohne die Meinung anderer zu verletzen, werden immer mehr Aufmerksamkeit erhalten als Parteimitläufer.

3. Immer cool bleiben!

Der Schlüssel um hetzerische und populistische Angriffe abzuwehren liegt in der Nüchternheit eines Politikers. „Cool bleiben“ lautet die Devise, denn Aufmerksamkeit erregt derjenige, der entspannt bleibt und dem „Angreifer“ nicht ständig ins Wort fällt. Das Zuhören und das Aussprechen lassen eines Dialogpartners sind in den dramaturgisch aufgeladenen Formaten von heute deutlich schwieriger geworden. Es ist ein Irrtum zu glauben, dass man selbst wertvolle Redezeit verschenken könnte, wenn man andere Diskutanten nicht ständig unterbricht. Damit erreicht der Politiker nur, dass er sich selbst zur Brüllaffenhorde gesellt. Die Nüchternheit und die Überlegungen zu Handlungen und Argumentationen werden auch den Verlust eigener Redezeit locker verschmerzen, weil Sachlichkeit und die Qualität der aussendenden Informationen über das unreflektierte Wortgefecht triumphieren werden.

In Deutschland beobachten wir anhand einiger Formate sehr gut, wie Dramaturgie und Politik in der Medienwelt erfolgreich harmonieren. Die österreichischen Privatsender finden hier hochqualitative Orientierung; der Rest liegt bei den österreichischen Politikern.

 

 

Politik und Fernsehen: Über die gescheiterte Streitkultur

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Es ist nicht nur so, dass die Politiker Medialität für die Formgebung ihres Images brauchen. Auch das Fernsehen benötigt charismatische und vor allem emotionale Politiker im gegenwärtig existierenden dramaturgischen Konzept. Die Frage, die sich daher für uns Beobachter oftmals stellt, besteht in der Dominanz der wechselwirkenden Kräfte zwischen Medium und individuellem Aufmerksamkeitsdrang.

Quotengier oder Informationsbedürfnis?

Den Medien wird nicht selten unterstellt, einzig und allein an spektakulären und möglichst aggressiven Streitereien zwischen Politikern interessiert zu sein. Bereits die Konstellation der Diskussionsrunden lassen ein dramaturgisches Interesse zwar deutlich erkennen, aber dem Fernsehen damit eine primäre Motivation zu unterstellen wäre zu einfach. Nicht selten haben nämlich die Moderatoren politischer Diskussionsrunden alle Hände voll zu tun, die Kontrolle über das Konzept zu behalten. Mit anderen Worten: Die Steuerung des dramaturgischen Konzeptes wäre heutzutage viel zu riskant, wenn die Verantwortlichen lediglich nach Quoten gieren und sich an die Sensationslüste des Publikums orientieren würden. Als Rezipienten sind wir heute wegen vieler anderer Formate dramaturgisch so überladen, dass wir aggressive Streitereien zwischen Politikern schon sehr bald satt haben. Was in sogenannten „Realitys“ vielleicht noch länger funktioniert, kann nicht so einfach auf ein grundsätzlich informationsorientiertes Format umgemünzt werden. Emotionale und persönliche Konfrontationen zwischen Politikern und die sinnentleerten Diskussionen werden ihren Kampf gegen unser Informationsbedürfnis verlieren. Auch wenn wir das derzeit bei einigen Formaten im österreichischen Privatfernsehen noch nicht erkennen können.

Österreichische Vergangenheit und gegenwärtig deutsches Vorbild

In Deutschland sehen wir, wie diese Formate funktionieren sollten. Egal ob bei Maischberger, Illner oder Will, die Qualität der Diskussionsrunden dieser Moderatorinnen kann von den Formaten der österreichischen Privaten nicht erreicht werden. Erstens, weil trotz hoher Emotionalität der Diskussionsteilnehmer die deutschen Moderatorinnen die Kontrolle ohne „Cuts“ behalten. Zweitens aber auch, weil die Qualität der Teilnehmer selbst, beziehungsweise ihr Diskussionsverhalten, auch während hitzigster Debatten nicht an kommunikativer Professionalität verliert. Hierbei lässt sich derzeit in der österreichischen Politik leider ein großes Problem feststellen, an dem PR-Berater mit ihren Mandanten dringendst arbeiten sollten.

Den österreichischen Moderatoren bleibt oft keine andere Wahl, als ihren Gästen in letzter Konsequenz das Wort einfach zu entziehen. Das war nicht immer so. Wenn sich ein österreichischer Politiker also heute die Frage stellt, wie er mit seinem Anliegen in einem so aggressiven Umfeld noch Aufmerksamkeit erregen kann, dann könnte ihm auch der Blick in die österreichische Fernsehvergangenheit weiterhelfen.

Besonders interessant waren damals nämlich die Auseinandersetzungen zwischen dem ehemaligen Bundeskanzler Franz Vranitzky und dem FPÖ-Parteiobmann Jörg Haider. Haider war für seinen aggressiven Diskussionsstil und seinem ausgeprägten Hang zum Populismus bekannt. Oft versuchte er Vranitzky auch durch verbale Angriffe zu diskreditieren. Der Ex-Kanzler blieb jedoch besonnen. Er hörte sich die Attacken an, um dann durch Professionalität und sachlichem Kommunikationsstil die Aufmerksamkeit und somit auch die Mehrheit der Wählerschaft auf seine Persönlichkeit zu reflektieren. Er drehte sozusagen den Spieß durch seinen professionellen Diskussionsstil um und wehrte sämtliche Attacken des „Brüllgegners“ erfolgreich ab. Somit blieb Haider bis zum politischen Karriereende Vranitzkys zwar ein erfolgreich aufstrebender Populist, er konnte mit der Dramaturgie seines Diskussionsstils dem Alt-Kanzler aber niemals das Wasser reichen.

In Österreich und Deutschland werden sich deshalb auch zukünftig Politiker mit dem Diskussionsstil eines Franz Vranitzky oder auch eines Martin Schulz gegen das dramaturgisch aufgeputschte Verbalverhalten von Cowboys und Brüllaffen durchsetzen. Das gilt übrigens für alle existierenden Politparteien und ihren Granden, auch wenn ich an dieser Stelle nur zwei Namen nannte.