„Ich bin dumm und du weißt nichts“ – Der kommunikative Leergriff für berufliche Neueinsteiger

„Ich beginne dort, wo andere aufhören“, das war ein Leitspruch, den ein Controller selbstbewusst an die Wertewand eines Unternehmens geschrieben hat. Ich wunderte mich bereits damals über die mutige Ansage des Neueinsteigers. Die berufliche Unerfahrenheit hat ihn zum Vorlaut veranlasst und damit gleichzeitig sämtliche Türen zu einer vertrauensaufbauenden Kommunikation verschlossen.

„Vorsicht, ich kenn dich nicht!“

Egal ob Führungskraft oder Mitarbeiter; zu Beginn eines neuen Dienstverhältnisses ist „der Neue“ immer ein Fremdkörper. Einer, den es gerade in den ersten Wochen genau zu beobachten gilt und ich versichere, er wird auch von der restlichen Belegschaft ganz genau beobachtet. In den meisten gut organisierten Unternehmen gibt es vordefinierte Abläufe, um den Neuzugang in sämtlich relevante Unternehmensprozesse einzuführen. Dabei geht es auch darum, den neuen Mitarbeiter zu integrieren. Mit anderen Worten: „Der Neue“ erhält die erste und wichtigste Chance, seine Kollegen kennenzulernen. Wir entscheiden in nur wenigen Augenblicken, ob wir eine Person sympathisch finden. Der Erstkontakt ebnet daher auch den Weg zu Erfolg oder Misserfolg kommunikativer Beziehungen mit alteingesessenen Mitarbeitern.

Deshalb ist es nicht nur unvernünftig, sondern auch ganz besonders dumm anzunehmen, dass die individuelle Genialität über das viel länger bestehende Wissen innerhalb eines Unternehmens triumphieren könnte. Der neue Mitarbeiter darf sicherlich sein selbstbewusstes Naturell zum Ausdruck bringen, er sollte sich aber davor hüten, alle bestehenden Prozesse und Arbeitsweisen seiner Kollegen und Mitarbeiter anzuzweifeln.

Erster Schritt: Zuhören und Interesse zeigen

Gerade erfolgreiche Führungskräfte wissen es am besten. Zuhören schafft Vertrauen. Engagierte Mitarbeiter wollen gehört werden und kommunikativ können Neueinsteiger vor allem durch aufmerksames Zuhören eine wichtige Vertrauensbasis schaffen. Allerdings haben gerade Führungskräfte oder Angestellte in überwachenden Funktionen einen entscheidenden Nachteil. Sie bleiben in erster Linie Fremdkörper, denen man lieber nicht alles erzählt. Die Angst vor Rationalisierung oder höherer Arbeitsbelastung bleibt omnipräsent. Deshalb wird sich der alteingesessene Mitarbeiter dafür hüten, „dem Neuen“ zu viele Details über seine Arbeitsweisen zu erzählen. Er wird sich mitunter sogar dumm stellen und den Informationsaustausch absichtlich verweigern. Deshalb sollte die Kommunikation zwischen dem Mitarbeiter und der neuen Führungskraft durch aufmerksames Zuhören und dem Stellen von Fragen Vertrauen schaffen und kein Aushorchen sein. Der Mitarbeiter wird es schätzen, dass hier jemand vor ihm sitzt, der sich für seine Tätigkeiten und den damit verbundenen Problemen interessiert.

Zweiter Schritt: Informationen austauschen

Wenn ein Mitarbeiter zulässt, dass die neue Führungskraft durch seine Kommunikationsbereitschaft Wissen aufbaut, dann muss diese Bereitschaft auch belohnt werden. Leider vergessen viele Führungskräfte, dass auch Mitarbeiter gerne über Veränderungen der Unternehmensprozesse informiert werden möchten. Erfolgreiche Kommunikation und das Erarbeiten eines intakten Vertrauensverhältnisses basieren immer auf gegenseitigem Informationsaustausch. Je persönlicher dieser Austausch stattfindet, desto höher wird die gegenseitige Wertschätzung sein.

Dritter Schritt: Beratung mit Mitarbeitern als Mittel der Wertschätzung

Der Controller in meinem Beispiel hätte gut daran getan, etwas weniger großspurig aufzutreten und zuerst auf das bestehende Wissen der Mitarbeiter zurückzugreifen. Auch die neue Führungskraft sollte während ihrer Karriere kontinuierlich auf diesem Wissen aufbauen. Es wird sich meistens beweisen, dass der Rückgriff auf bestehendes Wissen nur ein Vorteil für das gesamte Unternehmen sein kann. Der Mitarbeiter erfährt zudem die Wertschätzung für seine Person und seine langjährige Erfahrung. Er spürt das große Vertrauen, das in ihn gesetzt wird und die neue Führungskraft behält trotzdem die kommunikative Kontrolle bei unternehmensrelevanten Entscheidungen.

Leider beobachte ich, dass auch in unserer Unternehmenskultur das aktive Zuhören immer mehr verloren geht. Der persönliche Mittteilungsdrang und die einseitige Kommunikation – die Botschaft ohne Möglichkeit zur Reaktion – haben sich auch in unserem hektisch gewordenen Arbeitsalltag zusehends durchgesetzt. Darüber jedoch in einem anderen Beitrag etwas mehr.