Das Kommunikationsverhalten und die Bemühungen unserer Bundesregierung, die Bevölkerung möglichst transparent und umfangreich während COVID-19 zu informieren, kann bis heute als Erfolgsmodell politischer Kommunikationsarbeit festgestellt werden. Selten zuvor entwickelten sich Umfragewerte für politische Persönlichkeiten und ihre Regierungsparteien so positiv, wobei hier speziell der Rückgang der Infizierten und die erfolgreiche Vermittlung von Glaubwürdigkeit beigetragen haben. Aber während der „Langstreckendistanz“ hat „Glaubwürdigkeit“ im politischen Dogma deutliche Schrammen erleidet, deren Auswirkungen wohl erst in entfernter Zukunft sichtbar werden.
Glaubwürdigkeitserzeugung durch kommunikative Handlungen
Nach wie vor bin ich davon überzeugt, dass die Bundesregierung in Summe zur Krisenbewältigung bis jetzt einen großartigen Job erledigt hat. Aber wie der amerikanische Drehbuchguru Syd Field so trefflich meint: „Eine Figur ist nicht das was sie sagt, sondern was sie tut.“ Gilt das nicht auch für reale Persönlichkeiten, die im Grunde das Vorbild für Figuren sind?
Das Erzeugen und Vermitteln von Glaubwürdigkeit hängen deshalb sehr stark mit Handlungen und diesbezüglich kommunikativen Handlungen zusammen. Das Brechen der Vorbildwirkung und noch fataler, der Bruch selbst erstellter Verhaltensregeln zerstört den mühsam aufgebauten Glaubwürdigkeits-Flow in einer Kommunikationsstrategie. Aber alles der Reihe nach, denn der Beginn der Glaubwürdigkeitskrise erfolgte mit dem harmlosen Versuch, etwas Erheiterung in eine angespannte Situation zu bringen.
Vorsicht Babyelefant: „Vom Kommunikations-Gig zum Lückenbüßer“
Die Bevölkerung sollte nämlich plötzlich einen „Babyelefantenabstand“ einhalten. Also völlig klar: Abstand ein Meter! Nun, ich glaube den Abstand von einem Meter recht gut einschätzen zu können. Jedenfalls besser wie die Größe eines Babyelefanten und das, obwohl ich auch schon Elefanten gesehen habe. Hier wollte eine Kreativagentur wohl mit einem besonders witzigen Element zu etwas Entspannung beitragen. Aber für welche Bevölkerungsschicht? Auch wenn es sicherlich viele Menschen gibt, die Längenmaße nur schwer einschätzen können, so haben diese Menschen wohl genauso wie ich noch größere Schwierigkeiten damit, die Größe eines Babyelefanten richtig einzuschätzen. Die Botschaft könnte also auch lauten: „Wenn du zu dumm bist einen Meter Abstand einschätzen zu können, dann stell dir doch einfach einen Babyelefanten vor.“ Somit kann ein gut gemeinter und humorvoller Gig in Form eines Babyelefanten auch sehr schnell zu einem lächerlichen Lückenbüßer abdriften. – Und diese Lücke besteht dann bestenfalls aus einem Meter.
Ehrlichkeit hebt politische Glaubwürdigkeit
Vor einigen Jahren habe ich in einem anderen Beitrag mehr Ehrlichkeit von politischen Persönlichkeiten eingefordert. Kein Mensch ist unfehlbar. Wären sie es, würden sie auf mich eher unheimlich als glaubwürdig wirken und ich bin überzeugt, dass diese Wirkung auch für den Großteil der österreichischen Bevölkerung zutrifft. Über weite Strecken haben der Bundeskanzler und die Bundesregierung ein sehr aufrichtiges Bild erfolgreich vermittelt. Bereits zu Beginn der Krise hat die Regierung darauf aufgebaut, noch nie zuvor mit einer derartigen Herausforderung konfrontiert gewesen zu sein und auf keine Modelle gelungener Krisenbewältigung zurückgreifen zu können. Folge dessen waren bereits in kommunikativer Hinsicht notwendige Reserven geschaffen, um mögliche Fehler in Zukunft auch ohne politische Kollateralschäden eingestehen zu können.
Natürlich geschah der Besuch des Bundeskanzlers im von der österreichischen Außenwelt abgeschnittenen Kleinwalsertal in bester Absicht. Die Realität hat aber auch unser Regierungsoberhaupt sehr schnell eingeholt. Vor laufenden Kameras, deutlich hör- und sichtbar flehte er fortlaufend um Einhaltung der Mindestabstände. Und natürlich war der Besuch auch nicht spontan und wurde sehr wohl, wie uns das die Bilder zeigten, aufwändig vorbereitet. Eine sicherlich sehr wertvolle Erfahrung für den Kanzler, um auch einmal selbst zu erleben, dass die Kluft zwischen Sicherheit in Theorie und deren Anwendung im praktischen Alltag etwas größer als ein Meter sein dürfte.
Es gab also überhaupt keinen Grund für den Bundeskanzler, Fehler während diesem Besuch nicht einzugestehen. Im Gegenteil erhalten politische Amtsträger mit Mut, Fehler auf sich zu nehmen, mehr „Fleisch“ und damit auch mehr Glaubwürdigkeit. Wie heißt es so schön? Ehrlich währt am längsten. Und das gilt selbstverständlich auch für das Kommunikationsverhalten eines politischen Amtsträgers.
Enthüllungen täuschender Kommunikationshandlungen
Somit wird die ursprünglich hervorragende Kommunikationsarbeit auch sehr schnell zunichte gemacht. Schlimmer noch als fehlender Mut zum Eingeständnis von Fehlern sind täuschende Kommunikationshandlungen. Ich habe den Standpunkt der Medienwissenschaft dazu schon oft zitiert, aber ich formuliere es an dieser Stelle sehr gerne nochmals deutlich: „Medien lassen sich nicht domestizieren und beinhalten deshalb nicht nur manipulative, sondern auch enthüllende Eigenschaften.“
Diese Erkenntnis machte kürzlich auch Innenminister Karl Nehammer, als er von ZIB-Anchorman Armin Wolf mit den täuschenden Kommunikationshandlungen der Regierung und den Fakten aus der bestehenden Verordnung konfrontiert wurde. Selbst nach der Darstellung der tatsächlich herrschenden Rechtsgrundlage wird der Innenminister nicht müde, den Erfolg der Krisenbewältigung durch täuschendes Kommunikationsverhalten zu rechtfertigen und zieht vorsichtshalber sofort auch noch den Regierungspartner und grünen Gesundheitsminister mit in die Verantwortung. Auch hier hätte mehr Mut zur Ehrlichkeit Fehler gemacht zu haben dazu beigetragen, die Glaubwürdigkeit der Regierung zu stärken. Stattdessen bleibt wiederum nur der fade Beigeschmack eines Ausredenchampions, der repräsentativ für die an sich hervorragende Arbeit der gesamten Regierung nun völlig grundlos weder Ehrlichkeit noch Glaubwürdigkeit beweist.
Wie sich dieser fehlende Mut zu mehr Ehrlichkeit in weiterer Folge für die Regierung auswirkt, werden die nächsten Umfragewerte, spätestens die Belebung dieser Themen zur nächsten Wahlkampfphase zeigen. Vorab wird es wohl auch noch viele Urteile bezüglich ihrer Rechtswirksamkeit genauer zu untersuchen geben. – Schlimmstenfalls wirklich erst mit Beginn der Normalität, so wie wir sie vor der Krise kannten.
Verfehlungen im Kommunikationsverhalten sind auch im Versprechen „unbürokratischer und rascher Hilfe für die Wirtschaft“ erfolgt. Denn diese Hilfe war bisher weder unbürokratisch noch besonders rasch. Deshalb werde ich im nächsten Beitrag einige Beobachtungen innerhalb unserer heimischen Wirtschaft im Spannungsfeld widersprüchlicher Kommunikation durch unsere Regierung anstellen.