E-Mail als Überwindungsmedium von Kommunikationsblockaden

Das Internet und die neuen Kommunikationsmedien haben sich revolutionär auch in unserer Berufswelt etabliert. Kaum vorstellbar, wie wir heute ohne die Möglichkeiten von digitalen Medien unsere Korrespondenz bewältigen würden. E-Mail hat uns aber auch dahingehend trainiert, wie wir persönliche Gespräche im Geschäftsalltag vermeiden können. Bevor wir zum Telefonhörer greifen, schreiben wir eine E-Mail. Eine E-Mail zu schreiben geht schnell, viel schneller als das Schreiben eines Briefes und erreicht den Empfänger in einem Bruchteil von Sekunden. Außerdem sind wir bei E-Mails nicht an formalen Vorschriften gebunden, so wie sie für das Verfassen eines Briefes gelten und der Empfänger kann auf unsere Nachrichten sofort antworten. Es gibt bei E-Mail keine Portokosten und es können auch umfangreiche Dateien angehängt werden. Um es abzukürzen: Die vielen Vorteile dieser Kommunikationsform beweisen, weshalb sie sich so unverrückbar in unserer Welt verankert hat. Und trotzdem behaupte ich, dass wir mit dem Triumphzug der E-Mail auch ein großes Stück unserer persönlichen Kommunikationsfähigkeit aufgegeben haben.

Erst denken, dann sprechen

Unsere Eltern haben es uns (hoffentlich) oft gesagt: „Denke zuerst nach, bevor du sprichst.“ Kluge Menschen halten an diesem Prinzip fest, wenn sie nicht absichtlich ihrem Frust freien Lauf lassen wollen. Wer aber erfolgreich im Beruf sein möchte, darf nicht ständig das sagen, was er wirklich denkt. Seltsamerweise neigen wir aber dazu, in einer „schnellen E-Mail“ schlampig mit unseren Formulierungen umzugehen. Zeit ist Geld und alles muss schnell gehen, vor allem Kommunikation. Sprache ermöglicht uns auch mit relativ wenig Zeitaufwand die wesentlichen Dinge gezielt auf den Punkt zu bringen. Mit Schreiben ist das so eine Sache. Eine schriftliche Botschaft wird viel öfter mehrdeutig interpretiert und erzwingt deshalb Rückfragen des Empfängers. Dadurch entstehen dann wiederum die bekannten „Kettenmails“, die sich nicht nur zwischen den ursprünglichen Sendern und Empfängern verzweigen: Nachricht – Antwort mit Rückfrage – Antwort zur Rückfrage – Nochmals eine Rückfrage, diesmal mit einem Dritten in „cc“ – Nachfassen dieses Dritten bei den ursprünglichen Sendern und Empfängern …

Wir kennen diese E-Mails, die plötzlich so ziemlich das ganze Unternehmen beschäftigen und dabei ständig an den ursprünglich benötigten Informationen vorbeizielen. Dabei wäre es doch so einfach, den Telefonhörer in die Hand zu nehmen und das persönliche Gespräch zu suchen, um unmissverständlich die Anliegen zu formulieren. Trotz des Mehraufwandes sämtliche E-Mails zu verfassen und zu beantworten, herrscht eine persönliche Kommunikationsblockade vor. Und dabei ist die E-Mail doch auch nur ein Brief mit einem Absendernamen und verstecken in eine vermeintliche Anonymität.

Erst mal liegen lassen: E-Mail bedeutet Prioritäten setzen

Kein Wunder also, dass E-Mail gar nicht ein so schnelles und immer praktikables Medium ist. Sehr oft wird durch die Vermeidung persönlicher Kommunikation eine wahre E-Mail-Flut erreicht, die es dann zu bearbeiten gibt. Die Lösung von der strikten E-Mail-Kommunikation wird oft durch die Möglichkeit des „Aktenvermerks“ gerechtfertigt. Mündliche Vereinbarungen sind gut, schriftliche Nachweise in Form von E-Mails sind besser. Das stimmt und darin besteht einer der wichtigsten Vorzüge von E-Mail. Trotzdem differenzieren wir nicht zwischen den Vor- und Nachteilen. Dafür können wir bei E-Mail sehr deutlich eine Differenz beobachten, die es zum Beispiel bei einem Gespräch nicht gibt: Bequemlichkeit und Zwang.

Denn nahezu zwanghaft hängen wir an unseren Handys. Erreichbarkeit beherrscht manche Menschen sogar bis zum Toilettengang. Treffpunktvereinbarungen müssen nicht mehr im Vorhinein getroffen werden. Man trifft sich vor Ort und Stelle mit dem Kommunikationsmittel Handy. Das ist sehr bequem.

E-Mail funktioniert in einem Punkt etwas anders. Im Geschäftsalltag werden nicht alle E-Mails sofort bearbeitet. Wir selektieren die Nachrichten nach Prioritäten. Das bedeutet auch, dass wir erst gar nicht versuchen sämtliche Mails sofort zu beantworten. Es gibt auch Mitarbeiter, die wichtige Nachrichten gezielt einige Zeit unbeachtet lassen, um damit ihre eigene Auslastung zu unterstreichen: „Wer sofort auf alles antwortet, ist an seinem Arbeitsplatz nicht genügend ausgelastet.“ Ein anderer Typus praktiziert die gegenteilige Strategie und unterwirft sich dem Zwang des sofortigen Antwortens, weil er damit möglichst viel Arbeit erledigt haben möchte: „Hauptsache die Mails werden beantwortet oder weitergeleitet, damit ich Ruhe habe und mich mit meinen eigentlichen Kernaufgaben beschäftigen kann.“

Aber bei beiden Verhaltensweisen bleibt schlussendlich die Pflicht, irgendwann die empfangene Nachricht zu bearbeiten.

E-Mail-Korrespondenz als lästiger Zwang

Wer längere Zeit im Urlaub war, ärgert sich nicht selten über einen überfüllten E-Mail-Eingang, der ihn nach seiner Rückkehr erwartet. Die Bearbeitung wird häufig als lästig, als Zwang empfunden, der nun so schnell wie möglich überwunden werden muss. Aber auch dann würden sich durch persönlichen Telefonkontakt viele Dinge sehr viel schneller und mit weniger Aufwand erledigen lassen. Die sprachliche Kommunikation gelingt uns naturgemäß einfach besser als die schriftliche, vor allem wenn wir nicht die Talente eines großartigen Schriftstellers besitzen.

Freilich kann mit E-Mail eine vorherrschende Distanz im Kommunikationsprozess überwunden werden. Aber der Glaube, dass wir durch Anonymität Blockaden abbauen ist ein Trugbild, genauso wie die Anonymität in den sozialen Netzwerken nur eine Täuschung ist. Ich bin in einem Netzwerk und mit E-Mail nicht weniger anonym wie am Telefonhörer, setze mich selbst aber der Gefahr aus, dem Lockruf falscher Spuren zu folgen und Missverständnisse zu reproduzieren. Über diese „falschen Spuren“, die mit der E-Mail-Kommunikation im Geschäftsalltag zwangsläufig verbunden sind, erfahren Sie im nächsten Beitrag mehr.

 

 

Das Bewerbungsgespräch im Kommunikationsquadrat

Das erfolgreiche Bewerbungsschreiben ist der erste Schritt zur neuen Arbeitsstelle. Der zweite Schritt besteht in der Einladung zu einem Bewerbungsgespräch. Dann geht es um die Wurst und eines vorweg: Meine eigenen Erfahrungen mit Leuten aus dem Personalmanagement sind sehr zwiespältig und für die Begegnung mit solchen Menschen sollte man über das eigene Selbstvertrauen eine sehr dicke Haut stülpen. Viele dieser „Personalhändler“ könnte man tatsächlich als Menschenhändler bezeichnen, aber sehr viele Personalmanager agieren auch hochintelligent, wahren Respekt und vermeiden deshalb intime Fragen. Trotzdem sind einige nicht nur berufsbedingt sehr neugierig und passionierte Zeichendeuter. Der erfolgreiche und engagierte Personalscout versucht ständig zwischen den Zeilen zu lesen. Was steht hinter den Aussagen des Bewerbers? Welche Codes können den wahren Charakter eines Kandidaten enthüllen? Es kann daher auch für einen Bewerber recht vorteilhaft sein, etwas mehr über Kommunikationsprozesse und die Deutung versteckter Botschaften während eines Dialogs zu wissen.

Das Kommunikationsquadrat nach Friedemann Schulz von Thun

Ein Bewerber sollte versuchen, während dem Bewerbungsgespräch auch seinen Dialogpartner etwas „auszuspionieren“. Und das ist nur gerecht, denn auch der Bewerber wird noch bevor er seinen Mund öffnet gescannt. Das Kommunikationsquadrat von Friedemann Schulz von Thun ist ein hervorragendes Modell, um einen Kommunikationsprozess und die Deutung von Codes besser zu verstehen. Wir finden dieses Kommunikationsmodell übrigens auch ständig in all den erfolgreichen dramaturgischen Werken. Wenn wir miteinander kommunizieren, dann tun wir das ständig in vierfacher Weise. Das gilt sowohl für den Sender als auch für den Empfänger einer Botschaft. Deshalb ist Schulz von Thuns Modell auch unter dem Namen „Vier-Ohren-Modell“ bekannt geworden.

Während des Kommunikationsprozesses senden und empfangen wir ständig vier Informationen. Um es nochmals mit den Worten von Paul Watzlawick zu verdeutlichen: „Wir können nicht nicht kommunizieren.“

Sachinhalte und Inhalte in eigener Sache

Der Personalmanager sendet Informationen über Fakten und Daten zum Unternehmen und der Bewerber sperrt sein Sachinhaltsohr auf. Er hört möglicherweise Informationen zur Gründung des Unternehmens oder zur Firmenphilosophie. Prinzipiell gibt es auf Sachebene nur Wahrheit und Lüge. Während Daten zur Firmengründung wohl oder übel als wahrheitsgetreue Fakten vom Bewerber übernommen werden, kann er sich bei den Informationen über die bestehende Firmenphilosophie nicht immer sicher sein. Freilich gibt es öffentlich publizierte Firmenleitsätze und ein gut vorbereiteter Kandidat kennt diese auch. Aber ein Personalmanager sollte sich davor hüten, subjektive Eindrücke im Verständnis der Firmenphilosophie einfließen zu lassen. Der Empfänger könnte Abweichungen von Sachinformationen erkennen und zugleich ein Stück Selbstkundgabe des Senders erkennen.

Selbstkundgabe und die versteckten Codes

Ein aufmerksamer Empfänger kann durch Abweichungen in Sachinformationen eine Selbstkundgabe des Senders aufspüren. Was ist das wirklich für ein Mensch? Warum glorifiziert er ständig das Unternehmen und seinen persönlichen Beitrag zum Firmenerfolg? Meint dieser Mensch tatsächlich was er sagt? Ist er tatsächlich so begeistert oder nur ein Blender, der seinen Job macht und eigentlich gar nicht neugierig ist mich näher kennenzulernen? Werden mir in diesem Gespräch nur listenartig die Standardfragen gestellt, die ich von zahlreichen Internetseiten bereits kenne? Oder versucht mich der Personalmanager mit gezielt eingestreuten Fragen zu meinem Privatleben aus der Reserve zu locken?

Die Liste solcher Fragen lässt sich beliebig fortsetzen. Als Bewerber oder als Empfänger von Botschaften könnte man eine Checkliste solcher Fragen vorbereiten, um dann mit dem Ohr für die Selbstkundgabe die ausgesendeten Codes des Senders zu entschlüsseln. Umgekehrt gilt natürlich dasselbe, da die Rollen von Sender und Empfänger in einem (guten) Dialog ständig wechseln. Ein Personalrecruiter, der mehrmals versucht dem Bewerber vertrauliche Informationen wie zum Beispiel dessen Gehalt zu entlocken, gibt ein großes Stück Selbstkundgabe preis. Nicht nur dass er ein neugieriger Mensch ist, sondern vor allem auch dass er ein Druckmittel entlocken möchte, um in weiterer Folge die Gehaltsvorstellungen des Kandidaten kontrollieren zu können. Um diese Kontrolle zu erlangen, appelliert der Sender.

Die Appellseite und die einschüchternden Befehle eines Senders

Der Personalmanager wird hartnäckig versuchen, seinem Kandidaten möglichst viele Informationen zu entlocken. Teilweise geschieht das indirekt durch Fragen, die mit der ursprünglich benötigten Information gar nichts zu tun haben. In diesem Fall muss man sich als Empfänger vor ungewollter Selbstkundgabe hüten. Aktiv wird der Sender aber auch direkte Fragen stellen, um dem Bewerber Sachinformationen zu entlocken, die dieser eigentlich lieber verbergen möchte. Mein Appell: an euch: Hüten Sie sich vor dem „Befehl“, private Informationen preiszugeben. Bei solch einem Appell sollte das eigene Selbstwertgefühl gestärkt werden, indem die eigene Selbstkundgabe aktiv unterdrückt wird. Ich hatte einmal das Vergnügen, einen besonders neugierigen Personalscout in die Schranken zu verweisen. Privat ist nun einmal privat und kein Job kann meines Erachtens so wichtig sein, die Verletzung der eigenen Prinzipien zu dulden. Aber durch „unerlaubte“ Fragen oder unangemessenem Verhalten erkennen wir als Empfänger auch die Zeichen, wie wir sie vom Sender erhalten.

Die Beziehungsseite als ständiger Begleiter erfolgreicher Gespräche

Wenn die Chemie zwischen Sender und Empfänger nicht stimmt, sind alle Bemühungen vergebens und der Dialog eines Bewerbungsgespräches wird immer scheitern. Dramaturgisch ist die Störung einer Beziehung eine wichtige Herangehensweise spannende Storys zu erzählen. Im realen Leben jedoch wollen wir diese Störungen – wen wundert das – natürlich nicht erleben. Ein Lächeln und eine offene Ausstrahlung dürfen daher nicht nur von einem Bewerber erwartet werden. Auch der Sender, der den Kandidaten immerhin zum Bewerbungsgespräch eingeladen hat, sollte sich hüten aufgesetzte Freundlichkeit vorzuspielen. Ein großer Vorteil ist zweifellos, dass man kein Psychologe sein muss, um die Qualität einer Begegnung einordnen zu können. Eine freundliche Begrüßung, das Anbieten von Getränken, die Frage nach der Anfahrt und ein kurzer Smalltalk gehören zum Standardprozedere, bevor der Switch zum eigentlichen Vorstellungsgespräch erfolgt. (Auch wenn es natürlich auch hier immer wieder unerfreuliche Erlebnisse für Kandidaten geben kann.) Der entscheidende Faktor, das Zeichen um die Qualität der Beziehungsseite einordnen zu können, besteht in der Zeit.

Wie lange lässt sich der Personalmanager für die Begrüßung und Smalltalk Zeit? Zeit lassen bedeutet, dass mein Gegenüber Interesse am Gespräch mit mir hat, obwohl möglicherweise noch viele andere Kandidaten folgen werden. Auch während des Bewerbungsgespräches ist lange andauerndes Interesse für meinen Werdegang das Indiz für die Faszination meiner Persönlichkeit: „Ich bin beeindruckt von deinem Weg, erzähle mir mehr über deine Motivationen und deine Erlebnisse während deiner beruflichen Karriere.“ Auch anhand der Mimik und Gestik eines Fragenden kann sehr viel gedeutet werden: „Kann mir dieser Mensch, der mir so viele Fragen stellt, dabei auch offen in die Augen schauen?“ „Warum knipst er ständig mit seinem Kugelschreiber, weil er ein nervöser Typ ist oder weil er mich nervös machen möchte?“ Es sind auch hier die kleinen, manchmal unbedeutend erscheinenden Gesten, die uns sehr viel über die Beziehung zueinander verraten.

Die vier Ebenen des Kommunikationsquadrats zwischen Sender und Empfänger stehen ständig in Wechselwirkung zueinander. Deshalb ist es auch sehr schwierig, ich behaupte unmöglich, den Kommunikationsprozess einseitig steuern zu wollen. Und das ist auch überhaupt nicht notwendig, denn um überhaupt kommunizieren zu können, wechseln wir auch immer die Rollen von Sender und Empfänger. Das Erkennen und Interpretieren von Zeichen in diesem Prozess können deshalb auch immer für beide Seiten viele Vorteile haben.

 

Onlinequelle zu diesem Beitrag: https://www.schulz-von-thun.de/die-modelle/das-kommunikationsquadrat

 

 

Über die Dramaturgie im Bewerbungsschreiben

Viel interessanter als die Form eines Bewerbungsschreibens sind der Inhalt und die Dramaturgie in einem Bewerbungsschreiben. Auch hierzu gibt es Konventionen, die sich etabliert haben und zahlreich nachzulesen sind. Der Vergleich mit dramaturgischen Texten könnte sich daher vielleicht lohnen, um neue Strategien der Aufmerksamkeitserregung auszuprobieren.

Anfang – Mitte – Schluss

Struktur ist alles, weil wir selbst ständig nach Strukturen streben. Genauso wie in einer Geschichte suchen wir auch in einer Bewerbung nach Struktur. Die Bewerbung beginnt mit einer Einleitung. Der Bewerber stellt sich selbst vor und erklärt in wenigen Sätzen, weshalb er sich für die Stelle bewirbt. Dann verdeutlicht er seine Motivationen und seine Qualifikationen. Er bewirbt sozusagen seine eigene Person und setzt am Ende des Mittelteils einen Höhepunkt, vielleicht ein Karrierehighlight, um den Leser endgültig zu überzeugen. Zum Schluss folgt die „Entspannung“. Der Bewerber beendet seine Geschichte und verdeutlicht lediglich, dass er, der Protagonist, mit seiner aufregenden Story unbedingt für das neue Unternehmen arbeiten möchte.

Wir finden diese Struktur finden auch nahezu in jedem erfolgreichen Hollywoodfilm. Auch der Protagonist eines Filmes hat nur wenige Minuten Zeit, um seine Motivationen und das Ziel, das er unbedingt erreichen will, zu etablieren. Das Ziel muss klar sein, um Spannung beim Leser erzeugen zu können. Kennt der Rezipient das Ziel nicht, so ist er bestenfalls neugierig. Neugierde ist ein guter Vorbereiter für Spannung, aber wer Spannung erzeugen will, muss die seine persönlichen Ziele offenlegen.

Die Frage lautet also: „Erreicht der Protagonist (Bewerber) sein Ziel? Oder wird er im Mittelteil mit seiner Geschichte scheitern?“ Im Mittelteil hat der „Held“ mit allerlei Problemen zu kämpfen, um sein Ziel zu erreichen. Der Bewerber erzählt von seinem Werdegang und den Hürden, die er während seiner Karriere überwinden musste. Zum Schluss folgt die Auflösung. Der Protagonist erreicht sein Ziel und der Bewerber verdeutlicht nochmals sein Ziel, zu einem persönlichen Gespräch eingeladen zu werden. Der Mittelteil ist also das zentrale Element jedes Spielfilms und auch in jedem Bewerbungsschreiben. Der Bewerber erzählt über sich selbst, eine der schwierigsten Aufgaben. Es ist viel einfacher über eine Figur, als über eine Person zu schreiben. Figuren sind Konstruktionen, Personen jedoch sind reale Menschen, denen auch dann nicht verziehen wird, wenn sie glaubwürdig übertreiben.

Der Bewerber als Homo Fiktus

Eines steht fest, weder der Bewerber als Person, noch die Figur, der Homo Fiktus, darf ein Lügner sein. Übertreibungen, die zudem unglaubwürdig sind, werden im Film und im realen Leben nicht verziehen. Trotzdem darf auch die Wahrheit dramatisiert werden und darin besteht meines Erachtens das derzeit größte Potential für einen Bewerber, um aus einer Flut von Bewerbungsschreiben die Aufmerksamkeit auf die eigene Persönlichkeit zu fokussieren. Der Homo Fikus wird von James N. Frey in seinem Buch, Wie man einen verdammt guten Roman schreibt, hervorragend skizziert. Wir erleben diese Figuren ständig in guten Filmen. Es sind die kleinen Leute, die in die Enge getrieben werden und deshalb mit ihren maximalen Kapazitäten agieren. Der einfache Büroangestellte wächst über sich hinaus und vollbringt heldenhafte Taten, wenn seine Familie entführt wird. Trotzdem bleibt er dabei glaubwürdig, weil er immer nur mit seinen maximalen Kapazitäten handelt und sein Antrieb einzig und allein sein Ziel ist: Die Rettung seiner Familie. Auch wir können großartige Dinge vollbringen, wenn wir von starken Motivationen, Konfrontationen und Zielen vorangetrieben werden. Wir brauchen nicht zu übertreiben oder gar zu lügen, um Aufmerksamkeit zu erfahren. Meistens sind es die kleinen, die unscheinbaren Dinge, die große Auswirkungen auslösen und somit auch Aufmerksamkeit erregen können. Ein aufmerksamer Personalmanager sucht nach diesen kleinen Dingen, nach den Zeichen, die ihm mehr über das wahre Potential eines Kandidaten verraten. Ein perfekter Lebenslauf, ein durchgängiger Karriereverlauf mit Belegen höchster Qualifikation ist nur eine unter vielen Blasen.

Vielleicht hat ein Tischler nur durch einen witzigen Zufall entdeckt, dass er eigentlich die Begabungen eines Projektleiters in sich trägt. Wie konnte er sich zum Projektleiter entwickeln? Das sind die Geschichten, die es in spannender Art und Weise zu erzählen gilt. Möglicherweise hatte ein Angestellter in seinem früheren Unternehmen eine Idee, die sich erst Jahre später als revolutionäre Innovation herausstellte? Ich bin überzeugt, dass jeder berufstätige Mensch Geschichten aus seiner Karriere erzählen kann, die nur auf den ersten Blick nicht näher nennenswert erscheinen. Aber bei genauerer Betrachtung kann ein Hörer oder ein Leser gerade durch diese scheinbar kleinen Geschichten sehr viele Dinge über eine Person erfahren. Und darum geht es doch in erster Linie bei einer Bewerbung. – Man erzählt von sich selbst und seinem beruflichen Werdegang. Für den Bewerber selbst mag seine Weiterbildung, seine Entwicklung vom Tischlerlehrling zum Projektleiter nicht nennenswert zu sein. Aber beim Rezipienten und beim Personalmanager erregen gerade solche Geschichten größte Aufmerksamkeit. Es ist eine Story über sich selbst und die Hürden, die es zu überbrücken galt. Der Leser erkennt die maximale Kapazität, den Charakter eines Kandidaten, der ganz selbstverständlich einen mehrjährigen Weg der Weiterbildung in Kauf nimmt, um sein Ziel zu erreichen. Und worin bestand die Motivation des Tischlers dieses Ziel erreichen zu wollen? Geldnot, Scheidung, ein Unfall oder ein anderes tragisches Ereignis? Darüber sollte der Bewerber ernsthaft nachdenken bevor er schreibt, denn gerade solche Motivationen beherbergen sehr oft spannende Geschichten, die Aufmerksamkeit erregen.

Der Höhepunkt und das Ziel im Bewerbungsschreiben

Der Höhepunkt ist zugleich der Entspannungspunkt. Wenn der Protagonist meines obigen Filmbeispiels wieder seine gerettete Familie in die Arme nehmen kann, dann ist das der Höhepunkt. Alles was folgt können wir eigentlich weglassen. Deshalb sind Schlüsse in aller Regel auch so kurz und lediglich eine Abrundung der Geschehnisse. (Auflösung.) Der Höhepunkt im Bewerbungsschreiben könnte ein Studienabschluss sein. Vielleicht auch eine leitende Stelle, die der Bewerber erhalten hat? Der Höhepunkt in einer Bewerbung kann aber selbstverständlich auch negativer Art sein. Zum Beispiel die Erkenntnis, dass die bisherige Firma nicht mehr das gewünschte Arbeitsumfeld bieten kann. Dann bietet sich dem Bewerber die ideale Voraussetzung, im Schlussteil nochmals sein Ziel zu verdeutlichen: Die neue Stelle, für die man sich gerade bewirbt.

Egal wie man sich entscheidet, die Story in einem Bewerbungsschreiben muss immer ehrlich sein und sollte auch ein Stück tiefster Persönlichkeit preisgeben. Das gelingt, wenn man dramaturgisch arbeitet. Der berufliche Werdegang aus einem Guss erregt heute wohl kaum noch die Aufmerksamkeit eines Personalmanagers. Die wirklich spannenden Geschichten liest man zwischen den Zeilen, beispielsweise in einem holprigen Werdegang, der auch viele Probleme des Kandidaten verdeutlicht, die er im Verlauf seiner Karriere aufgrund seiner Motivationen und unverrückbaren Ziele überwunden hat.

Wer dann tatsächlich eine Chance erhält und zu einem Bewerbungsgespräch eingeladen wird, muss seine Glaubwürdigkeit beweisen. Er muss die Ernsthaftigkeit seiner Ziele, die er dramaturgisch so eindrucksvoll dargelegt hat persönlich wiederholen, um zu beweisen, dass er kein Betrüger, sondern tatsächlich der Protagonist seiner spannenden Geschichte ist. Auch den Akt des Bewerbungsgespräches können wir in der Dramaturgie unzähliger Filmproduktionen entdecken, doch dazu mehr im nächsten Beitrag.

 

Literaturquellen in diesem Beitrag:

Frey, James N.; Schlootz, Ellen (1996): Wie man einen verdammt guten Roman schreibt 3. Auflage. Köln: Emons.