“Nebenschauplätze” – Lesetipp von Bertram Holzer

Cover-Nebenschauplätze

„Dir wollte ich schon lange Mal was zum Lesen geben“, sagte Werner vor einiger Zeit zu mir. Ich war überrascht und fühlte mich gleichzeitig auch etwas geehrt. Dass mein Tenniskollege Werner Grabher nicht nur sein Racket gut schwingt, sondern auch als Schriftsteller sehr „gute Figur(en)“ macht, wusste ich ja bereits…

Aber dass ich in seinem Buch Nebenschauplätze tatsächlich den verschiedensten Figuren begegnete – sie hätten aus einem Filmdrehbuch nicht besser entspringen können – hat mich dann doch ziemlich verblüfft. Vieles ist damals, als dieses Büchlein im Jahr 2010 mit 20 Kurzgeschichten erschienen ist, von den Kritikern gesagt worden. So lassen sich die „skurrilen Prosaminiaturen“, begleitet von den Illustrationen des Künstlers Tone Fink, nur schwer einem bestimmten Textgenre zuordnen.

Wenn man aber genauer hinsieht, hat der Autor auch 20 filmdramaturgische Miniaturdrehbücher geschrieben. Im Stile geschichtenerzählender Filmregisseure, so wie Jim Jarmusch oder Wes Anderson, lenken auch in den Kurzgeschichten von Werner Grabher scheinbar unbedeutsame Ereignisse oder kleine Nebenfiguren unser Schicksal mit gravierenden Auswirkungen. „Close-ups“ zeigen offensichtlich Unbedeutsames, ohne vom trügerisch Bedeutsamen abzulenken.

So ist beispielsweise ein Marienkäfer der Protagonist, als im entscheidenden Augenblick zwischen Leben und Tod sein Fluchtversuch den Spannungshöhepunkt bildet, ohne dass dieser Augenblick in der menschlichen Welt der Giganten bemerkt worden wäre. Andererseits entscheidet eine verirrte Wespe nur aufgrund ihres zufälligen Daseins über das Schicksal von zwei Menschen. 

Man kann also eigentlich gar nicht anders, sich in dieses Buch mit seinen so völlig unterschiedlichen Geschichten hineinziehen zu lassen. Ein Sammelsurium von Beobachtungen, Anspielungen, Botschaften, Vergleichen und Appellen. – Kein Wunder, dass der Autor dabei unsichtbar bleibt. Dem Moment des Höhepunkts und dann, wenn das erzählerische Tempo zu schnell werden droht, folgen Zeitlupeneffekte, um die Spannung zu steigern. Auch im Bereich Informationsverteilung arbeitet der Schriftsteller mit den ähnlichen Mitteln eines Drehbuchautors. So auch beim Missgeschick eines Mädchens und dem folgenden Gespött, dessen Ursache wir erst später „sehen“.

Wenn eine Geschichte Auflösung benötigt, bietet der Autor sie an. Andererseits tauchen wir in Geschichten, die keine Auflösung benötigen und genügend Raum bleibt, die Geschichte fertig oder in andere Richtungen zu denken. Dann stößt der Leser plötzlich auf eine andere Geschichte und es macht „Puff.“ – Wie in einem Pappmärchenbuch öffnet sich eine dreidimensionale Welt mit verschiedensten Motiven, deren Bilder zwischen Traum und Realität ineinander verschwimmen.

Ja, ich verstehe das Lob der vielen Kritiker. Die wahre inhaltliche Kraft schöpft aus der beherrschenden Idee, dass es oft die kleinen und unscheinbaren Dinge sind, die großartige, dramatische, vernichtende oder verbessernde Auswirkungen haben (können). Keine Frage, ein absoluter Lesetipp von mir und wer außergewöhnliche Geschichten liebt, wird auch die Nebenschauplätze in diesem Buch sehr mögen.

Frohe Osterfeiertage wünscht Ihnen und allen DramaTec-Kunden Bertram Holzer.

 

Umschlagbild: Tone Fink