Berufe, die kaum einer kennt: “Jobprofil Mediendramaturgie”

Berufe die kaum einer kennt - Mediendramaturgie
Berufe die kaum einer kennt - Mediendramaturgie

Manchmal werde ich gefragt, was man als Mediendramaturg so alles macht. Nur wenige haben überhaupt eine Vorstellung, wie das Jobprofil im Bereich Mediendramaturgie aussieht. Wir Mediendramaturgen sind immer noch eine Nischengruppe, weshalb ich diesmal eine kurze Jobbeschreibung versuche, um unsere Tätigkeiten, Anforderungsprofile und Herausforderungen näher zu beleuchten…

 

Was bedeutet „Mediendramaturgie“

Das Wort „Drama“ stammt aus dem Griechischen und bedeutet „Handlung“. Als Pate des Dramas dürfte wohl unumstritten Aristoteles gelten und wenn Sie einmal seine Poetik in englischer Übersetzung lesen sollten, wird Ihnen vor allem die Häufigkeit des Wortes „Action“ auffallen. Es geht also um Handlungen und darum, Handlungen sichtbar zu machen. Der Begriff Dramaturgie bezeichnet die Bauform oder Struktur eines dramatisierten Handlungsspiels, das zugleich ein Plan ist, um ein Schauspiel praktisch zu realisieren. Dabei geht es um nachgeahmte Realitäten, dargestellt auf einer Bühne, in Film und Fernsehen oder heute eben auch im Web.

 

Woher wir Mediendramaturgen kommen

Wir Mediendramaturgen kommen aus den unterschiedlichsten Disziplinen. Viele von uns sind speziell ausgebildete Dramaturgen und Drehbuchautoren. Wir kommen außerdem sehr oft aus den geisteswissenschaftlichen Disziplinen, aus der Philosophie, der Kultur- und Medienwissenschaft. Andere stammen aus der journalistischen Schule und der Publizistik. Unsere Ausbildungswege sind ebenfalls sehr unterschiedlich, werden aber schlussendlich immer durch jahrelange Erfahrung und Kenntnis unseres Gegenstands geprägt. Eine Besonderheit unseres Berufsstands ist außerdem, dass bei uns künstlerisch-kreative und wissenschaftlich-analytische Aufgabenfelder selten getrennt sind und wir uns selbst nur selten in übergeordneter Berufsbezeichnung als Mediendramaturgen bezeichnen.

Nehmen wir beispielsweise einen berühmten Mediendramaturgen wie Umberto Eco. Er war ein großartiger Medienwissenschafter und Philosoph, der die Dramaturgie von Medien wie kaum ein anderer begriff, analysierte und die Erkenntnisse mit zahlreichen wissenschaftlichen Werken veröffentlichte. Andererseits war er aber auch ein begnadeter Schriftsteller, der viele erfolgreiche Romane und Filme veröffentlichte. (Der Name der Rose)

 

Die Aufgaben eines Mediendramaturgen

Schlussendlich befassen wir uns aber alle mit der Entwicklung, Analyse oder Herstellung von Medien in den unterschiedlichsten Formen und Funktionen, verbunden mit den unterschiedlichsten Inhalten. Ein Drehbuchautor ist beispielsweise auch ein Mediendramaturg. Er entwickelt und schreibt eine Story nach dramaturgischem Muster, um sie mit Handlungen und in Form von Bildern zu erzählen. Und eine Story muss von Beginn an spannend sein, soll uns begeistern und mit einer möglichst raffinierten Auflösung verblüffen.

Auch Fernsehsendungen oder Fernsehshows folgen den Konzepten der Mediendramaturgie. Sobald in audiovisuellen Bewegtbildmedien (spannende) Handlungen die Narration bestimmen, haben Mediendramaturgen ihre Finger im Spiel. Umgekehrt befassen sich auch Kritiker und die Medienwissenschaft mit den Erzeugnissen der Mediendramaturgie oder erstellen für geplante Medienproduktionen Analysen und Expertisen und greifen damit wiederum selbst in das Terrain eines Mediendramaturgen.

 

Die Zukunftsaussichten eines Mediendramaturgen

Auch wenn man es auf den ersten Blick kaum glauben mag: Die Zukunftsaussichten eines Mediendramaturgen habe sehr großes Potential. Mit dem immensen Anstieg audiovisueller Bewegtbildmedien wird auch die Anforderung an die Dramaturgie dieser Medien steigen. Mittlerweile wollen beispielsweise auch immer mehr Unternehmen spannende Unternehmensfilme und erkennen, dass die mittlerweile technisch günstigen Möglichkeiten nur die halbe Miete sind und vor allem die Inhalte der Medienprodukte Aufmerksamkeit und Begeisterung bei Zielgruppen auslösen. Es lohnt sich also, sich bei den zahlreichen Medienberufen in das Gebiet eines Mediendramaturgen zu vertiefen.

 

 

“Nebenschauplätze” – Lesetipp von Bertram Holzer

Cover-Nebenschauplätze

„Dir wollte ich schon lange Mal was zum Lesen geben“, sagte Werner vor einiger Zeit zu mir. Ich war überrascht und fühlte mich gleichzeitig auch etwas geehrt. Dass mein Tenniskollege Werner Grabher nicht nur sein Racket gut schwingt, sondern auch als Schriftsteller sehr „gute Figur(en)“ macht, wusste ich ja bereits…

Aber dass ich in seinem Buch Nebenschauplätze tatsächlich den verschiedensten Figuren begegnete – sie hätten aus einem Filmdrehbuch nicht besser entspringen können – hat mich dann doch ziemlich verblüfft. Vieles ist damals, als dieses Büchlein im Jahr 2010 mit 20 Kurzgeschichten erschienen ist, von den Kritikern gesagt worden. So lassen sich die „skurrilen Prosaminiaturen“, begleitet von den Illustrationen des Künstlers Tone Fink, nur schwer einem bestimmten Textgenre zuordnen.

Wenn man aber genauer hinsieht, hat der Autor auch 20 filmdramaturgische Miniaturdrehbücher geschrieben. Im Stile geschichtenerzählender Filmregisseure, so wie Jim Jarmusch oder Wes Anderson, lenken auch in den Kurzgeschichten von Werner Grabher scheinbar unbedeutsame Ereignisse oder kleine Nebenfiguren unser Schicksal mit gravierenden Auswirkungen. „Close-ups“ zeigen offensichtlich Unbedeutsames, ohne vom trügerisch Bedeutsamen abzulenken.

So ist beispielsweise ein Marienkäfer der Protagonist, als im entscheidenden Augenblick zwischen Leben und Tod sein Fluchtversuch den Spannungshöhepunkt bildet, ohne dass dieser Augenblick in der menschlichen Welt der Giganten bemerkt worden wäre. Andererseits entscheidet eine verirrte Wespe nur aufgrund ihres zufälligen Daseins über das Schicksal von zwei Menschen. 

Man kann also eigentlich gar nicht anders, sich in dieses Buch mit seinen so völlig unterschiedlichen Geschichten hineinziehen zu lassen. Ein Sammelsurium von Beobachtungen, Anspielungen, Botschaften, Vergleichen und Appellen. – Kein Wunder, dass der Autor dabei unsichtbar bleibt. Dem Moment des Höhepunkts und dann, wenn das erzählerische Tempo zu schnell werden droht, folgen Zeitlupeneffekte, um die Spannung zu steigern. Auch im Bereich Informationsverteilung arbeitet der Schriftsteller mit den ähnlichen Mitteln eines Drehbuchautors. So auch beim Missgeschick eines Mädchens und dem folgenden Gespött, dessen Ursache wir erst später „sehen“.

Wenn eine Geschichte Auflösung benötigt, bietet der Autor sie an. Andererseits tauchen wir in Geschichten, die keine Auflösung benötigen und genügend Raum bleibt, die Geschichte fertig oder in andere Richtungen zu denken. Dann stößt der Leser plötzlich auf eine andere Geschichte und es macht „Puff.“ – Wie in einem Pappmärchenbuch öffnet sich eine dreidimensionale Welt mit verschiedensten Motiven, deren Bilder zwischen Traum und Realität ineinander verschwimmen.

Ja, ich verstehe das Lob der vielen Kritiker. Die wahre inhaltliche Kraft schöpft aus der beherrschenden Idee, dass es oft die kleinen und unscheinbaren Dinge sind, die großartige, dramatische, vernichtende oder verbessernde Auswirkungen haben (können). Keine Frage, ein absoluter Lesetipp von mir und wer außergewöhnliche Geschichten liebt, wird auch die Nebenschauplätze in diesem Buch sehr mögen.

Frohe Osterfeiertage wünscht Ihnen und allen DramaTec-Kunden Bertram Holzer.

 

Umschlagbild: Tone Fink