Medien als touristische Sprachtrainer TEIL 2

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Das Fernsehen konnte bestehende Sprach- und Mentalitätsblockaden im Tourismus nicht immer so erfolgreich wie in Ägypten vermitteln und überwinden. Ein negatives Beispiel können wir derzeit in den Entwicklungen der Wirtschaftskrise in Griechenland beobachten. Möglicherweise wird in den nächsten Tagen  der „Grexit“ Realität. Völlig unabhängig vom politischen Hick-Hack zwischen EU und Griechenland werden Touristen aber auch zukünftig ihren Urlaub auf den griechischen Inseln genießen. Und die Griechen werden ihre Gastgeberrolle auch weiterhin erfolgreich spielen, um ihr Dilemma zu überwinden. Für meine Ausführungen konzentriere ich mich hierbei auf die Entwicklungen auf der beliebten Ferieninsel Korfu.

Sprachliche Selektionen im Tourismusmarkt

Als ich vor 13 Jahren das erste Mal die „grüne Insel“ Korfu kennenlernte, war es noch nicht so einfach nur mit englischer Sprache zu kommunizieren. Im Gegenteil gehörte auch ich zu den vielen Urlaubern, die sich darum bemühten etwas griechisch zu sprechen. Für uns Mitteleuropäer bedeutete ein Urlaub auf Korfu eine willkommene Alternative zu Italien oder zur Türkei. Damals war der Euro noch sehr jung in Griechenland und man spürte regelrecht den Optimismus und Stolz der Korfioten, ein vollwertiges Mitglied in einer großen Wirtschaftsunion zu sein. Dieses Bild wurde nicht zuletzt von den heimischen Medien projiziert und bestärkte wiederum den Tourismus, sich verstärkt um die ausländischen Zielgruppen zu kümmern. Als Mitglied der Eurozone war plötzlich ein gewisser Spielraum vorhanden, um touristische Zielgruppen zu klassifizieren. Die Medien und nicht zuletzt das Fernsehen sind praktikable Abholstationen von Informationen, die den Griechen erklärt haben, welche Urlaubergruppen in sprachlicher Hinsicht ganz besonders fürsorglich bemuttert werden sollten. Der erlauchte Kreis beschränkte sich rasch auf ein sehr großes deutschsprachiges Publikum und einen zusammengefassten englischsprachigen Rest. (Zu diesem Rest zählen außer Briten auch sämtliche Resteuropäer.) Aber speziell die Dominanz der deutschsprachigen Mitteleuropäer hat sehr schnell Wirkung auf der Insel gezeigt. Vorbei waren unsere Bemühungen, für einen interaktiven Kulturaustausch auch etwas griechisch zu sprechen. Jetzt setzten wir von unseren Gastgebern voraus, dass sie die deutsche Sprache beherrschten. Und die Griechen haben alles daran gesetzt, diese Erwartungen zu erfüllen. Der touristische Markt auf Korfu hat sich aber nicht nur sprachlich gut erkennbar selektiert.

Über Kulturclash und „verkaufte Seelen“

Während die deutschsprachigen Mitteleuropäer auf gehobenen Standard, Individualität und Ruhe setzen, vor allem aber von morgens bis abends verwöhnt werden wollen, erwarten die Resteuropäer, allen voran die Briten, Non-Stop-Action und Entertainment. Dieses mediale Bild setzte sich im kollektiven Gedächtnis der Griechen durch. Die touristische Kulturschere ist heute schon so groß, dass sich ein Teil der Hotelbesitzer nur noch deutschsprachige Gäste wünscht. Man kennt die deutschsprachigen Urlauber auf der Insel und ihre hohen Ansprüche. Umgekehrt liegen Teile des Nordens und nahezu der komplette Süden Korfus fest in den Händen der britischen Touristen. „Fahren Sie nicht in den Süden, da haben die Korfioten ihre Seele verkauft“, warnte mich einmal einer der deutschen Urlauber.

Leider hatte er Recht. Im touristischen Süden verweist nichts mehr auf die einstige Schönheit der grünen Insel. Heute werden dort wilde Partys gefeiert. Die Spuren dieses Entertainmentverlangens  durchfährt man tagsüber direkt auf den zugemüllten Straßen. Auch hier haben die Medien ihre Wirkung gezeigt und die Korfioten gelehrt, welche Sprache die britischen Touristen am liebsten sprechen. All diese Entwicklungen ereigneten sich lange vor der griechischen Wirtschaftskrise, manövrierten die Korfioten allerdings direkt in ihr heutiges Dilemma.

Das unterdrückte Unbehagen

Ich persönlich empfinde die Korfioten auch heute noch – während dem Höhepunkt der Krise – als großartige und freundliche Gastgeber. Die Insel scheint unberührt von den dramatischen Vorgängen im Land zu sein. Der Tourismus ist die wichtigste Stütze und deshalb bleibt den Einheimischen gar nichts anderes übrig als ihre volle Konzentration auf das Wohlbefinden ihrer Gäste zu verlagern. Wer jedoch in Gespräche mit Korfioten findet, der entlarvt sehr schnell das unterdrückte Unbehagen und erkennt die vielen Sorgen. Viele Lebensmittel sind heute unbezahlbar und einfache Knabbereien gehören zu Luxusgütern, die wohlüberlegt gekauft werden sollten. Hinzu kommt, dass Medien die einstigen Freundbilder Deutschlands zu Feindbildern deformieren, die speziell an die deutsche Politik adressiert sind. Kein Wunder also, wenn plötzlich nicht mehr alle deutschsprachigen Touristen als Deutsche betrachtet werden. Trotzdem muss man ganz genau darauf achten, um die Extraportion Freundlichkeit zu erkennen, die man als geouteter Österreicher erfährt.

Egal welchen Weg die Krise in den nächsten Wochen einschlägt, übrig bleibt das unterdrückte Unbehagen der Korfioten. Die Lösung von diesem Unbehagen wird sehr schwierig sein und wahrscheinlich auch sehr lange dauern. Mindestens genauso lange wie die sprachlich-kulturellen Selektionen im Tourismus stattgefunden haben.

Medien als touristische Sprachtrainer TEIL 1

  • Beitrags-Kategorie:Kommunikation

Die Sprache ist immer noch das großartigste und bedeutungsvollste Medium der Welt. Daran werden auch die sogenannten „neuen Medien“ in Zukunft nichts ändern. Offen bleibt in ferner Zukunft eigentlich nur, ob die Menschheit eines Tages in der Lage sein wird mit nur einem Sprachsystem zu kommunizieren. Und wie könnte dieses einheitliche Sprachsystem dann aussehen? Tendenziell kann besonders in den beliebtesten Reisedestinationen dieser Welt sehr gut beobachtet werden, wie bestimmte Sprachsysteme Dominanz erlangen. Eine Dominanz, die speziell auf das Fernsehen zurückzuführen ist.

Das Fernsehen als globaler Sprachtrainer

Mit zunehmendem Alter wird es nahezu unmöglich, eine fremde Sprache zu lernen. Aber wir wissen auch, dass man eigentlich niemals zu alt ist, um etwas zu erlernen. In diesem Spannungsfeld bewegt sich auch das Fernsehen. Ist Fernsehen ein Medium, das uns zunehmend verroht? Oder überwiegt der Bildungscharakter des Mediums. Beide Eigenschaften können heute unumstritten dem Fernsehen zugeschrieben werden. Dabei spielt es überhaupt keine Rolle, wenn Fernsehen auch zukünftig kein interaktives Medium sein wird. Die Kraft es Fernsehens liegt nämlich in seiner Passivität. Das Pull-Medium bleibt ein Pull-Medium, weil gerade diese Eigenschaft von Fernsehkonsumenten geschätzt wird. Die direkte und sofortige Antwort auf eine bestimmte Botschaft ist bei diesem Medium weder möglich, noch von Sendern und Empfängern erwünscht. Mich interessiert in diesem Zusammenhang speziell die Bildungsfunktionalität, die über die heimischen Grenzen hinaus erst mit dem Einzug von Satellitenfernsehen an globaler Bedeutung für touristische Länder gewonnen hat.

Wie das Fernsehen Ägypten zu einem der beliebtesten Urlaubsziele formte

Als ich in den 90ern das erste Mal meinen Urlaub in Ägypten verbrachte, war es für mich nahezu unmöglich, mit den Einheimischen zu kommunizieren. Ich sprach kein Arabisch und kein Französisch. Englisch wurde nur von wenigen Ägyptern gesprochen. Kaum 15 Jahre später war ich wieder in Ägypten und über die sprachlichen Entwicklungen mehr als überrascht. Außerdem führte mich dieser Urlaub auch zu neuen Erkenntnissen über die Entwicklung von Fernsehkulturen. Egal, ob ich durch Luxor oder Assuan fuhr, überall konnte ich mich selbst davon überzeugen, dass das Fernsehen mittlerweile auch in den bescheidensten Behausungen ein festes Zuhause gefunden hat. „Ägypten ist heute auch das Land der Satellitenschüsseln“, wie mir unser Reiseleiter schmunzelnd erzählte. Und es wäre deshalb auch sehr kurzsichtig anzunehmen, dass die Kulturkenntnisse der einheimischen Straßenhändler, über Deutschland oder Österreich, alleine auf Begegnungen mit dem Massentourismus basieren. Freilich ist das auf den Straßen Ägyptens erworbene „Touristendeutsch“ nicht zu überhören, die genauen Kenntnisse über die deutsche Fernseh- und Werbelandschaft verraten aber vor allem auch den regen Konsum internationaler Fernsehprogramme.

Deutschsprachige Touristen gehören gewiss zu einer der wichtigsten Zielgruppen für die Einheimischen, die vom Massentourismus leben. Die Wissensneugierde der Ägypter beschränkt sich aber keinesfalls nur auf uns Mitteleuropäer.

Davon konnte ich mich persönlich in Kom Ombo überzeugen. Egal ob ich mich mit Straßenhändlern oder Lehrern unterhielt. Die Menschen die ich kennenlernte sprechen heute deshalb englisch, weil sie die Möglichkeit haben, englischsprachiges Fernsehen zu konsumieren. Ich war wirklich verblüfft, als mir diese bescheiden lebenden Menschen ihr Wissen über die deutsche Medienlandschaft demonstrierten. Das Fernsehen konnte sich als wichtiger Sprach- und Kulturführer für die Ägypter etablieren. Es informiert die Bevölkerung am Weltgeschehen und fördert somit auch die Kommunikationsfähigkeiten in Handel und Tourismus. Fernsehen lässt auch die ärmlichen Gesellschaften an den Ereignissen der Welt teilnehmen. Das Fernsehen etabliert die bildenden Partizipationsqualitäten jedoch nur als freies Medium. Mit anderen Worten: Fernsehen ist und bleibt ein durch staatliche Organe kontrollierbares Medium.

Fernsehen als kontrolliertes Medium

Während der ersten Aufstände in Ägypten vor einigen Jahren mussten wir wieder daran erinnert werden, dass Fernsehen und speziell der Fernsehkonsum vom Staat kontrolliert und zensiert werden kann. Damit erfolgt auch im Bereich passiv abholbarer Informationen ein verheerender Einschnitt. Die Bevölkerung wäre innerhalb weniger Augenblicke von der Partizipation am Weltgeschehen völlig abgeschnitten, wenn es nicht auch noch das Internet gäbe. Das Internet lässt sich nicht so einfach wie Fernsehen, ohne Überwindung der unzähligen Abhängigkeiten, domestizieren. Allerdings erfordert das Web Interaktion. Eine Eigenschaft, die wiederum speziell während Krisenzeiten, so wie wir sie auch in Ägypten beobachtet haben, ihr volles Potential ausschöpfen kann.

Ägypten ist auch heute noch ein sehr beliebtes Urlaubsziel für viele Europäer. Unberührt von den Unruhen im Land zeigt sich auch weiterhin der Massentourismus, der das angeeignete Sprach- und Kulturwissen durch den Fernsehkonsum der Einheimischen nach wie vor sehr schätzt. Leider hat das Medium Fernsehen mit den Möglichkeiten als Sprach- und Kulturtrainer auch schon versagt. Darüber im zweiten Teil dieses Beitrages mehr.

 

 

Vom Drang nach Selbstkundgabe zum Wissensportal

  • Beitrags-Kategorie:Kommunikation

Der Drang nach Selbstkundgabe und der öffentlichen Selbstinszenierung gehört zu den Wesensmerkmalen sozialer Netzwerke. Lange Zeit vor Facebook war YouTube unter dem Motto „Broadcast Yourself“ bekannt für inszenierte Selbstportraits. Im Gegensatz zu Facebook gilt YouTube heute jedoch sehr wohl als hochgradig benutztes Pull-Medium. Ich vertrete die Meinung, dass die Gründe dafür hauptsächlich in den Möglichkeiten der Bewegtbildkommunikation zu finden sind.

Aufmerksamkeit erregen um jeden Preis

Auch auf YouTube können wir den ungebremsten Drang nach Selbstinszenierung beobachten. Dabei bleiben keine Peinlichkeiten und Skurrilitäten ausgelassen. Viele dieser Selbstinszenierungskünstler gelangten mit hoher Aufmerksamkeit sogar zu Reichtum. Die öffentliche Selbstinszenierung in Form von Bewegtbildern erfordert nicht nur sehr viel Mut. (Oder Dummheit.) Erfolgreiche Aufmerksamkeitsstrategien erfordern vor allem auch sehr viel Kreativität und dramaturgisches Wissen. Diejenigen, die diesen Anforderungen gerecht werden, genießen deshalb auch die höchste Aufmerksamkeit. Alle anderen verschwinden in der unendlichen Bedeutungslosigkeit des Webs. Das große Plus von YouTube besteht aber darin, dass es kein Qualitätsgütemerkmal gibt und hierfür eine natürliche Selbstauslese vorherrscht. Wichtig bleibt lediglich die Möglichkeit der Partizipation. Mit anderen Worten: Wir alle können teilnehmen und unsere Botschaften veröffentlichen, um dann die Beurteilung unseres Beitrages zu beobachten. Hier gibt es also auch eine intakte Wettbewerbssituation, die nicht nur von „Pushern“, sondern vor allem auch von der Neugierde der „Puller“ getragen wird.

Kommerzialisierung für Private

Erfolgreiche Aufmerksamkeitsstrategien in öffentlichen Netzwerken bedingen daher einerseits den Drang nach Selbstkundgabe von Medien-Pushern und andererseits die Neugierde der Medien-Puller. Kein Wunder, dass auch auf YouTube schnell kommerzielle Interessenten dominierten, diese aber auch schlau genug waren, die kostenlose Möglichkeit der allgemeinzugänglichen Partizipation zu bewahren. Damit haben bis heute viele Pusher die neuartige Chance entdeckt, ihre Konzepte und die Qualität der Videoclips zu verbessern, um damit die eigenen Haushaltskassen aufzubessern. Zielgerichtete Strategien werden mit kommerziellen Interessen verbunden. In weiterer Folge davon beobachte ich als Vorteil für den Medien-Puller, dass sich YouTube auch zukünftig zu einem wertvollen Bildungsmedium weiterentwickelt.

Von der Selbstinszenierung zum Bildungsportal

Das Netzwerk YouTube beinhaltet noch sehr viel ungenütztes Potential, dass sich in den nächsten Jahren weiterhin entfalten wird. Die auffälligste Entwicklung stelle ich in der genutzten Möglichkeit fest, hochgradiges Wissen über ein soziales Netzwerk zu verbreiten. Beeindruckend zeigen sich die vielen Tutorials, die mittlerweile ein sehr breites Themenspektrum beinhalten. Egal ob jemand etwas über Gitarre spielen, fotografieren, kochen oder was auch immer erfahren möchte. Bei der Suche auf YouTube ist in den meisten Fällen ein brauchbarer Treffer dabei. Bevor ich beispielsweise diesen Blog startete, hatte ich keine Kenntnisse von WordPress. Mein komplettes Wissen darüber stammt aus Tutorials, die ich auf YouTube gefunden habe. Natürlich war die Qualität dieser Tutorials völlig unterschiedlich. Aber es gelang mir schlussendlich mit frei zugänglichen Videoanleitungen selbständig einen WordPressblog einzurichten.

Ich beobachte auch ein zunehmendes Interesse für gemeinnützige Engagements, die dramaturgisch verarbeitet für gute Unterhaltung sorgen. Als Beispiel ist mir der Beitrag Fahrschule Hitler aufgefallen. Dabei handelt es sich um eine sehr gelungene und wortspielgespickte Persiflage, die sich gegen aufkeimenden Nationalsozialismus richtet.

Zusammenfassend kann ich feststellen, dass die zunehmende Kommerzialisierung auf YouTube für Pusher und Puller bisher nur Vorteile bieten kann. Die Kunst der Aufmerksamkeitserregung ist dabei noch längst nicht ausgeschöpft. Die Bemühungen danach steigern aber kontinuierlich die Qualität der Medieninhalte. Damit diese Qualität steigen kann sind kommerzielle Geschäftsmodelle erforderlich. Die freie und weltweit kostenlose Möglichkeit der Partizipation muss jedoch für alle Menschen jederzeit bestehen bleiben, um auch weiterhin das Wesen eines sozialen Netzwerkes zu wahren.