Durch die E-Mail-Kommunikation geraten wir leider auch relativ oft auf falsche Spuren. Ein einfaches Beispiel zu diesem Thema möchte ich heute etwas näher erläutern. Während meiner Zeit in Wien erzählte mir ein Arbeitskollege ganz verwundert von seinem Urlaub in meinem Heimatbundesland Vorarlberg: „Bei euch sind wohl alle per Du. Da kannst du sogar in Restaurants und Geschäfte gehen und die Mitarbeiter duzen ihre Kunden.“ Ich musste lachen. Mein Wiener Kollege kannte die Mentalität im westlichsten Bundesland Österreichs zu wenig, um die „Du-Kultur“ die in Vorarlberg vorherrscht zu verstehen. Natürlich gibt es auch genügend Geschäfte und Unternehmen, in denen das Duzen von Kunden gegen die Etikette verstößt, allgemein handelt es sich aber tatsächlich um ein Phänomen, das so deutlich ausgeprägt wohl nur im kleinen Bundesland Vorarlberg auffällt. Durch persönliche Kommunikation können solche „Störungen“ relativ schnell behoben werden und Menschen, denen die Distanz zwischen Kunde und Dienstleister wichtig ist, werden entweder mit Freundlichkeit oder Forschheit auch darauf bestehen. Die Korrespondenz per E-Mail macht die Sache aber etwas komplizierter.
Versteckte Zeichen in der Anrede entdecken
Den ersten Beziehungshinweis, die Art und Weise welchen Respekt sich ein Dialogpartner erwartet, finden wir bereits in Titel und Anrede einer Person. Dazu müssen wir diese Personen gar nicht persönlich kennen. Es genügt die Deutung der Anrede, die unsere Dialogpartner in der Grußformel verwenden und wie sich diese von der Signatur in der E-Mail unterscheidet:
Mit freundlichen Grüßen
Dr. Max Mustermann
Signatur
Institut für xxxxxxxxxx
Univ.-Prof. Dr. Max Mustermann
Oder:
Mit freundlichen Grüßen
Univ.-Prof. Mag. Dr. Max Mustermann
Signatur
Institut für xxxxxxxxxx
Univ.-Prof. Mag. Dr. Max Mustermann
Im zweiten Beispiel haben wir es offensichtlich mit einem Herrn Professor zu tun, der mit seinem vollständigen akademischen Grad angesprochen werden will. Wir erkennen das anhand der exakten Übereinstimmung zwischen offizieller Signatur und Grußformel. Außerdem ist die Angabe des akademischen Grades „Mag.“ eigentlich völlig unnötig, da dieser Grad Voraussetzung ist, um ein Doktorat zu absolvieren. Der Mensch im zweiten Beispiel könnte umgangssprachlich auch als „titelgeil“ entlarvt werden, zumindest als Mensch, dessen akademische Leistungen wir durch „Kürzungen“ in der Anrede lieber nicht verstimmen sollten.
Auch ich verwende in meinen Signaturen, Dokumenten und Profil die Angabe meines akademischen Grades. In Grußformeln und in meiner E-Mail-Korrespondenz verzichte ich aber bewusst darauf. Ich konnte auch beobachten, dass Akademiker vor allem von Nichtakademikern in der E-Mail-Kommunikation höheren Respekt genießen. Interessanterweise kann E-Mail aber auch bestehende Kommunikationsblockaden auflösen. Folgendes Beispiel möchte ich dazu zeigen:
Sehr geehrter Herr Mag. Holzer!
Anbei sende ich Ihnen im Auftrag von Max Mustermann den Abrufvermerk zu. …Das Original wird per Post nachgesandt.
Mit freundlichen Grüßen
Daniela Musterfrau
Darauf habe ich meinen Kollegen Max Mustermann, den ich sehr gut kannte, telefonisch informiert, da ich hier einen Fehler vermutete.
Hallo Max,
anbei wie tel. besprochen das Mail weiter an dich! Sollte das Original tatsächlich bei uns in Wien eintreffen, werde ich es zurückschicken.
Regnerische Grüße aus Wien sendet euch
Bertram
Den Sender der ursprünglichen Botschaft, Frau Daniela Musterfrau, setzte ich dabei „cc“ und ich erhielt folgende Antwort von ihr:
Hallo!
Ich habe soeben das Original bei der Post noch abfangen können und habe es an Andi geschickt.
Liebe Grüße,
Dani
Was ist passiert? Daniela Mustermann wurde auf eine „falsche Fährte“ gelockt. Weil wir mit Andi einen gemeinsamen Bekannten haben, konnte sie die Kommunikationsblockade mir gegenüber überwinden. Sie verzichtete in ihrem zweiten Mail auf die förmliche Anrede und beschränkte sich auf ein ungezwungenes „Hallo“. Und auch ihre Grußformel hat sie im Gegensatz zu ihrer ersten E-Mail mit „Liebe Grüße“ und „Dani“ völlig neu vertont. Obwohl sie mich immer noch nicht persönlich kannte, genügte ein gemeinsamer Bekannter, um ihre Blockade abzubauen und ihren anfangs noch distanzierten Kommunikationsstil mir gegenüber zu personifizieren.
Einseitige „Anfreundungen“ per E-Mail könnten vom Kommunikationspartner natürlich auch negativ gedeutet werden. Die persönliche Kommunikation bietet uns einfach zu viele Möglichkeiten, um sie aufgrund schneller E-Mail-Korrespondenz völlig aufgeben zu wollen.