Nach dem gestrigen Überfall Russlands auf die Ukraine fällt es schwer, nicht über den Krieg in Europa und mögliche Konsequenzen nachzudenken. Im kollektiven Schockzustand haben wir Europäer zwar schnell Solidarität bekundet, aber welchen Preis für Frieden sind wir tatsächlich bereit zu bezahlen?
Die Krise ist keine Krise mehr. Erneut herrscht nahe unserer Haustür Krieg in Europa. Ja, wir fühlen mit der Ukraine und ihrer gesamten Bevölkerung und Ja, wir waren wiederum schnell, unsere Solidarität offenkundig in den sozialen Medien preiszugeben. Aber was können wir tatsächlich tun, um nicht nur von Frieden und Solidarität zu sprechen, sondern der Ukraine auch zu helfen?
Wir hören von Sanktionen gegen Russland. Diese werden die russischen Machthaber und Russlands Bevölkerung vermutlich auch mittel- und langfristig sehr hart treffen. Allerdings werden diese Sanktionen auch uns Europäer treffen, womit wir schon bald das erste Mal beweisen können, wie es mit unserer offenkundigen Solidarität tatsächlich bestellt ist. Denn die letzten Krisen, Flüchtlingsbewegungen und COVID-19 haben doch gezeigt, dass wir überhaupt nicht geschlossen dafür eingestanden sind, für Solidarität und die Wahrung des Friedens auch einen höheren Preis zu zahlen.
Jetzt über einen möglichen 3. Weltkrieg oder nukleare Angriffe auf andere europäische Länder in den Medien zu spekulieren ist die niederträchtigste Weise, um Angst in uns zu schüren. Denn Angst ist es, was uns von Hilfe abhält. Jahrzehntelang haben wir geglaubt, der Preis des Friedens besteht in unseren globalen Handels- und Wirtschaftsabhängigkeiten. Jetzt wissen wir, dass wir es mit einem Aggressor zu tun haben, der völlig irrational handelt und für seine Ziele – wie auch immer diese aussehen mögen – bereit ist, auch den höchsten Preis zu bezahlen.
Dem ist militärisch nicht beizukommen. Jedenfalls nicht, um den Frieden in Europa wieder herzustellen. Freilich ist es leicht von Solidarität zu sprechen, solange man in der Komfortzone des Friedens und Wohlstands sitzt. Aber dafür könnten wir jetzt beweisen, ob wir als „Vereinigte Staaten von Europa“ auch dazu bereit sind, mit den härtesten Sanktionen gegen Russland, die auch uns treffen werden, den höchstmöglichen Preis für die Schaffung des Friedens zu bezahlen.
Kommentar von Bertram Holzer