Über die machtlosen Codes im Arbeitszeugnis

Oft wird von einem Mitarbeiter, der sich für eine neue Stelle bewirbt, ein Arbeitszeugnis verlangt. Offensichtlich ist dieses für manche Arbeitgeber wichtig. Der Empfänger solcher Beurteilungen wird zwar immer wieder mit „versteckten Codes“ konfrontiert, aber bereits die Enthüllung dieser Codes macht das Arbeitszeugnis eigentlich wertlos.

Die entmachteten Codes

Auch ein Arbeitszeugnis unterliegt einer bestimmten Struktur und einer durchgängigen Dramaturgie. Wie diese Struktur auszusehen hat, kann genauso zahlreich im Web nachgelesen werden, wie die versteckten Codes, vor denen sich der Arbeitnehmer hüten sollte. Dem Internet sei Dank kann daher jeder von uns seine Beurteilung anhand von Checklisten prüfen und feststellen, welche Botschaft der Aussteller tatsächlich sendet. Aber wie mächtig sind versteckte Codes dann eigentlich noch? Das Internet hat diese Codes längst enttarnt und deshalb sind sie heute gegen einen informierten Arbeitnehmer machtlos. Der Arbeitgeber ist verpflichtet, seinem Mitarbeiter ein ordentliches Arbeitszeugnis auszustellen und er darf dabei keine offensichtlich negativen Beurteilungen konstatieren. Kein Wunder also, weshalb sich überhaupt codierte Formulierungen etablieren konnten.

Die Codes in den Zeugnissen sind eigentlich nichts anderes als eine versteckte Kommunikationsform zwischen Arbeitgebern. Lange Zeit war sie dem Arbeitnehmer nicht bekannt aber heute sind die Codes hauptsächlich Mittel zum Zweck. Ohne sie hätte der Arbeitgeber keine Chance, eine für ihn vertretbare und rechtlich legitime Bewertung auszustellen. In dieser Hinsicht ist die Funktionalität der Codes also noch intakt. Geheim sind sie jedoch schon lange nicht mehr und genau darin liegt die Möglichkeit für Arbeitnehmer, auch die Funktionalität der Codes zu entmachten.

Ein unmoralisches Angebot

Wie ich bereits oben erwähnte, bleibt das Verfassen eines Arbeitszeugnisses eine komplexe und höchst verantwortungsvolle Aufgabe. Viele Arbeitgeber wälzen diese Verantwortung deshalb ab oder noch schlimmer, verlangen vom scheidenden Mitarbeiter die Beurteilung selbst zu schreiben. Warum sollte sich der Chef auch zusätzliche Arbeit aufhalsen und ein Zeugnis über eine Person ausstellen, die in Kürze sein Unternehmen verlässt? Und wie soll ein Arbeitnehmer mit diesem „unmoralischen Angebot“ umgehen? Ich sage es offen heraus: “Ein selbst geschriebenes Arbeitszeugnis ist in jedem Fall besser als ein unmotiviert geschriebenes und fehlerhaftes Zeugnis.” Der Mitarbeiter erhält damit die einmalige Chance, die Codes zu entmachten und sie nach seinem Wohlgefallen zu benutzen.

Keine Angst vor angeblichen Übertreibungen

Bevor man das unmoralische Angebot annimmt und mit dem Schreiben beginnt, sollten noch einige Fragen geklärt sein:

  1. Weshalb bietet mir ein Arbeitgeber an, das Zeugnis selbst zu schreiben?

Die Antwort dürfte in den meisten Fällen klar sein. In einer sehr hektischen und anfordernden Arbeitswelt hat der Arbeitgeber einfach weder Zeit noch Lust, selbst eine aufrichtige Beurteilung zu schreiben. Das verrät uns übrigens auch sehr viel über den Charakter einer Person und wie diese Person zu seinem scheidenden Arbeitnehmer steht.

2. Kann ich alles schreiben was ich will?

Freilich wird der Arbeitgeber vorher lesen, was er unterschreiben soll. Solange Orthographie und Grammatik in Ordnung sind, werden ihm die Inhalte aber wohl eher egal sein.

3. Warum sind dem Arbeitgeber die Inhalte und somit die Beurteilung selbst egal?

Vermutlich wird er selbst auf das Gewissen seines scheidenden Mitarbeiters vertrauen. In aller Regel reflektieren wir eher bescheiden über unsere eigene Persönlichkeit und gerade deshalb ist es wichtig, Selbstvertrauen zu beweisen und auch nicht mit Übertreibungen zu sparen. Schließlich geht es um eine Bewertung, die ausschlaggebend für den weiteren Karriereverlauf sein könnte und um die sich der verantwortliche Arbeitgeber nicht kümmern möchte.

4. Wie sollte das Arbeitszeugnis aussehen.

Die Strukturen sind im Web zahlreich publiziert. Die negativen Codes können entmachtet werden, indem man sie einfach umgeht. Auch dazu gibt es bereits im Web zahlreiche Publikationen. Deshalb sollte man auch stets Superlative verwenden und mit Eigenlob nicht sparen, wenn es darum geht, die Bestnote zu erreichen. Wer in Orthographie und Grammatik nicht sicher ist, sollte unbedingt von einer kompetenten Person Korrekturlesen lassen.

Achtung vor übertriebenen Fachkompetenzen

Ich vermute, dass es heute sehr viele dieser unmoralischen Angebote gibt. Sie sind auch dem zukünftigen Arbeitgeber bekannt und er wird deshalb sehr aufmerksam das Arbeitszeugnis mit den anderen Bewerbungspapieren vergleichen. Ein Tausendsassa ist immer verdächtig, weshalb man sich hüten sollte, übertrieben hochgelobte Fachkompetenzen aus dem Arbeitszeugnis in Widerspruch zu den anderen Bewerbungsunterlagen zu setzen. Die sozialen Kompetenzen sind während einer Bewerbung hingegen nicht so einfach überprüfbar. Hier gilt das Arbeitszeugnis, das in diesem Fall aus derselben Hand stammt, als wichtiger Entscheidungsträger. Und genau darin liegt die Möglichkeit mit den Codes zu arbeiten und diese für sich selbst arbeiten zu lassen.

Die entmachteten Codes im Arbeitszeugnis können eine große Chance für scheidende Arbeitnehmer sein, aber bitte immer daran denken: Auch ein zukünftiger Arbeitgeber wird einen Täuscher sehr schnell enttarnen und dann sehr wohl entscheiden, ob er das neu begonnene Arbeitsverhältnis längerfristig fortsetzen möchte.